Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
Hausarbeit gönne ich mir eine ausgiebige Dusche und fühle mich viel besser. In meinem Morgenmantel, sauber und zufrieden, setze ich mich mit der Post und einer Tasse Kräutertee aufs Sofa. Diesen Tee hat Mum bei ihrem letzten Besuch dagelassen. Wenn ich ihn trinke, fühle ich mich mit ihr verbunden, obwohl er wie gekochtes Gras schmeckt.
Die Post besteht wie üblich aus wenig aufregenden Briefen. Ein paar Immobilienagenten wollen mir weismachen, dass sie von Interessenten bestürmt würden, die ein Apartment wie meines kaufen wollen. Das nächstgelegene indische Restaurant schickt Werbung, meine Kreditkartenrechnung ist dabei sowie ein kostenloses Magazin, Peckham Life, das lustige Ideen hat: Was wird die sechsköpfige Familie aus Eritrea in der Erdgeschosswohnung wohl von der Information halten, dass einfach jeder im Block sein Heim mit edlen Designertapeten schmückt, die fünfzig Pfund pro Quadratmeter kosten?
Ganz unten liegt ein Kuvert, das zu enthalten scheint, was Camilla »manieriert« nennen würde. Eine seriös gravierte Einladung mit Schnörkelschrift. Zunächst bin ich verwirrt. Wenn eine meiner Freundinnen heiraten würde,
wüsste ich das doch, oder? Und in letzter Zeit hat der Taufenboom etwas nachgelassen. Von wem kann das bloß sein?
Mr Daniel Miller und Miss Lulu Miller laden
Miss Lizzy Harrison und Begleitung zu einer
Dinner- und Tanzparty anlässlich ihrer
fünfunddreißig Jahre auf diesem Planeten ein.
Die Feier findet am Samstag, 22. August 2009,
um acht Uhr abends in
The Old Brewery, Spitalfields, statt.
Kleidung: Smoking und Abendkleid. U. A. w. g.
Die Wörter »und Begleitung« waren mit einem goldenen Stift unterstrichen und mit drei Ausrufungszeichen versehen. Vermutlich von Dan, der sich seit unserem Streit beim Dinner nicht mehr bei mir meldet.
Großer Gott, wie konnte ich vergessen, dass Dan und Lulu für ihren gemeinsamen Geburtstag eine riesige Party mit Dinner und Tanz geplant haben. Die liebevollen Eltern hatten darauf bestanden, das Fest zu bezahlen, unter der Bedingung, dass Mr Miller eine Rede zu Ehren seiner Kinder halten durfte, »bevor ich an Altersschwäche sterbe, während ich auf eure Hochzeiten warte.«
Schon vor langer Zeit hat Lulu ihr mangelndes Interesse an einer Heirat bekundet. Jetzt kann sie der Verlockung nicht widerstehen, den Mittelpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit zu bilden, ohne sich an jemanden binden zu müssen. Und Dan – nun ja, Dan hat entschieden, dass es sich nicht lohnt, die Naturgewalt zu bekämpfen, die seine Schwester verkörpert, wenn sie eine Mission erfüllen will.
Ich fächle mir mit der Einladungskarte Kühlung zu und denke über die »Begleitung« nach. Würde Randy mitkommen? Bisher funktioniert unsere Scheinbeziehung so, wie er es will, nämlich auf seinem Territorium. Ich glaube, er weiß nicht einmal, wo ich wohne.
Aber vielleicht reizt es ihn, seine Zeit für ein normales Fest ohne einen einzigen Star zu opfern? Unser gesellschaftliches Leben spielt sich entweder in seinem Haus ab, oder wir gehen zu zweit aus. Einen seiner Freunde, der nicht für die Anwesenheit in seiner Nähe bezahlt wird, habe ich noch nicht getroffen. Möglicherweise würde Randy meine Freunde gern kennenlernen. Und für Lulu, die alle Zeitschriften über berühmte Leute verschlingt, wäre es das wunderbarste Geburtstagsgeschenk, wenn ich meinen sogenannten Freund, einen A-Promi, mitbringen würde. Und wenn ich noch irgendwie ein Foto von ihr in die Hot Slebs schmuggeln könnte, würde sie vor Glück platzen.
Während ich überlege, welche Strategie am besten wäre, klingelt das Handy neben mir auf dem Sofa.
»Babe? Wo bist du? Es ist neun. Und ich warte schon seit einer Ewigkeit.« Randys Stimme klingt verdutzt. Wahrscheinlich wird er nicht allzu oft versetzt.
»Ich bin zu Hause, Randy«, erwidere ich kühl und professionell. »Wie ich bereits sagte, ich habe zu tun.«
»Aber ich dachte, du würdest zu mir kommen, wenn du saubere Unterwäsche hast. Bryan hat das Zeug doch heute Nachmittag gekauft und dir gebracht. Was ist los? Spielst du mit mir?« Dass er sich so ärgern würde, hatte ich nicht erwartet.
»Hat Bryan dir auch erzählt, was für Unterwäsche er da
besorgt hat?«, frage ich immer noch kühl, aber etwas besänftigt, weil er die Oma-Unterhosen nicht selbst ausgesucht hat.
»Himmel, keine Ahnung – Unterhosen sind Unterhosen, nicht wahr? Was für eine Sorte du trägst, ist mir egal. Um ehrlich zu sein, will ich sie dir möglichst
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