Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
Autoscheinwerfer entlang der South Bank, und ich bekomme einen Schluckauf. Die Savoy Street, Belsize Park, Soho, Mayfair, den Regent’s Park und Randy hinter meinem Rücken, habe ich das Gefühl, ich würde mich von dem London abwenden, in dem ich die letzten paar Monate gelebt habe.
Warum dachte ich jemals, die vernünftige Lizzy Harrison aus Guildford und später Peckham könnte sich als Randy Jones’ Freundin behaupten? Meine Welt besteht
aus Vorstädten, aus penibler Vorausplanung, aus Mittelklasse-Pubs, aus monogamen Beziehungen und pünktlich bezahlten Hypothekenraten. Natürlich habe ich dem Superstar, dem Verführer des Jahrtausends, niemals etwas bedeutet.
Wie konnte ich seine Aufmerksamkeit nur ernst nehmen. Schluchz... Er hat mich nur benutzt. Dann meldet sich eine leise innere Stimme: Vielleicht hast du ihn auch benutzt, Lizzy Harrison. Blitzschnell bringe ich sie zum Schweigen. Wenn ich mich nicht mal bemitleiden darf, nachdem ich meinen Freund beim Sex mit meiner Lego behaarten Nemesis erwischt habe – wann darf ich es dann?
Als wir bei Bens Haus ankommen, ist es schon nach ein Uhr. Er schließt die Tür hinter sich und kämpft mit einigen Sicherheitsschlössern. Bevor er das Licht im Flur anknipst, stolpere ich über Grahams Buggy. Daneben stehen drei Paar Gummistiefel, ein Paar Pantoffel in Hasenform und zwei abgewetzte Schuhe. Die sehen aus wie die halbmondförmigen Teigtaschen mit angedrückten Rändern aus Comwall und sind mit dicken grüngoldenen Schnürsenkeln geschmückt. Von hier aus kann ich es nicht feststellen. Aber ich weiß es – wenn ich mich herunterbeugen würde, könnte ich Räucherstäbchen riechen.
»Ist Mum hier?« Erschrocken drehe ich mich zu Ben um. Noch mehr Überraschungen verkrafte ich nicht. »Aber... aber sie wollte doch erst nächste Woche zurückkommen.«
»Kurzfristige Änderung der Pläne.« Entnervend lässig zuckt Ben die Achseln. »Geh jetzt ins Bett.«
Das tue ich.
Um halb acht weckt mich ein beharrliches Klopfen auf
meiner Stirn. Als ich die Augen öffne, stellt sich heraus, dass es vom Plastikarm eines kleinen Plastikhäschens stammt, das mein Neffe schwingt.
Die Tür des Gästezimmers öffnet sich einen Spaltbreit, und Jenny steckt ihren Kopf herein. Sogar um diese frühe Stunde sieht sie gesund und frisch aus wie ein glänzender Apfel, die Wangen geschrubbt, das Haar mit einem bunten Band zusammengebunden. »O Gott, tut mir leid, Lizzy! Ich habe mir schon gedacht, dass er hier hereingekommen sein muss. Stört er dich?«
»Nein, nein, schon gut.« Ich setze mich auf und ziehe die Steppdecke hoch, um einen teuren, von Randy gekauften und, ehrlich gesagt, ziemlich nuttigen BH und das passende Höschen zu verstecken. Dann streiche ich mein wirres Haar aus dem Gesicht. Wahrscheinlich enthülle ich damit die verschmierten Reste meines Make-ups, das ich letzte Nacht nicht mehr runtergewaschen habe. Irgendwie fühle ich mich wie in einem Sketch über William Hogarth, den sozialkritischen Maler aus dem achtzehnten Jahrhundert. Darin verkörpert Jenny die mütterliche Reinheit, und ich bin das städtische Laster, soeben vom Pflaster der Bierstraße geholt.
Jenny setzt sich auf die Kante des Sofabetts. Brüllend wirft sich Graham in ihren Schoß. »Alles okay, Lizzy?«, erkundigt sie sich. »Ben hat was über Randy Jones gesagt.«
Wenn es um jemand anderen ginge, würde ich glauben, sie wäre hinter Klatschgeschichten her. Aber obwohl Jenny beim Friseur Woman’s Own liest, interessiert sie sich für Promis genauso wenig wie für Astrophysik. Wahrscheinlich ist Astrophysik sogar viel eher ihr Ding. Sie würde nicht einmal die Hälfte der Leute, die in der Hot Slebs erwähnt
werden, wiedererkennen. Also stellt sie diese Frage aus echter Besorgnis und keineswegs, um später mit ihren Freundinnen über mich tratschen zu können. In den nächsten Tagen werde ich das nur über wenige Menschen sagen können. Bei diesem Gedanken spüre ich Tränen in meinen Augen.
»O Lizzy, weine nicht, tut mir so leid. Ich wollte dich nicht aufregen.« Bestürzt umarmt sie mich und drückt mich an ihre Sweatshirt-Brust. Sofort zwängt Graham sich dazwischen, so fest an mich gepresst, dass ich fürchte, in meinem Busen wird für immer eine häschenförmige Vertiefung entstehen.
»Keine Bange – ich bin okay«, schluchze ich in Grahams blonde Locken.
»Dieser verdammte Randy!«, schimpft Jenny mit einer leidenschaftlichen Loyalität, die mich überrascht, weil sie ja noch
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