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Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pippa Wright
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glaube, deshalb wollte ich ihr beweisen, dass das nicht stimmt. Dann fing die Sache mit Randy an, und da wollte ich es mir selbst beweisen. Und so redete ich mir ein, ich müsste mich in ihn verlieben.«
    »War er in dich verliebt?«
    »So sah es aus. Aber wenn ich jetzt zurückblicke – es war eine dieser Beziehungen, bei denen nichts wirklich ausgesprochen wird. Wahrscheinlich habe ich das Schweigen mit Worten gefüllt, die ich gern gehört hätte. Alles nur in meiner Fantasie...« Meine Stimme droht zu brechen.
    »Vielleicht dachtest du, wenn du auf einem Gespräch bestehst, würdest du etwas Unangenehmes hören«, meint Mum nachdenklich, während wir durch den Wald wandern und unsere Schritte einen sanften Rhythmus annehmen. »Die mangelnde Kommunikation hat dir die Illusion verschafft, du hättest alles unter Kontrolle.«
    »Nein, Mum, das war ja der springende Punkt – bei Randy habe ich die Kontrolle verloren«, betone ich, als hätte sie mich absichtlich missverstanden.
    »Ganz sicher nicht, Schatz«, erwidert sie entschieden. »Du dachtest, das wäre die beste Methode, um dich zu verlieben. Da hättest du alles im Griff, und wenn es schiefgehen sollte, würde es nichts ausmachen, weil es ohnehin nicht das Richtige war.«
    Darauf kann ich nicht sofort antworten, und Mum drängt mich nicht. Schweigend gehen wir weiter und lauschen den Geräuschen des Waldes – dem Klopfen eines Spechts, raschelnden, trockenen Blättern, als ein kleines Tier durch das Unterholz läuft. Über unseren Köpfen treffen sich die Äste und bilden ein immer dichteres Dach, während der Pfad bergauf führt.
    Schließlich frage ich: »Also glaubst du, ich hätte niemals wirklich was mit Randy riskiert?«
    »Das weißt nur du, Schatz. Aber ich gewinne den Eindruck, dass du dich selbst nicht wirklich riskiert hättest. Was meinst du?«
    Auch diesmal brauche ich eine lange Pause, bevor ich antworte. »Vermutlich hast du recht«, sage ich zögernd. Ich weiß, diesen kleinen Sieg wird Mum tagelang genießen. Nur ganz selten erlauben ihr Ben und ich, die Rolle der erleuchteten weisen Frau zu spielen.
    »Die wahrhaft wichtigen Dinge können wir nicht kontrollieren. Menschen sterben, hören auf, uns zu lieben, gehen fort oder lassen uns im Stich. Aber dies alles ist ein Teil von...«
    »Mum, wenn du jetzt auf den ›mannigfaltigen Wandbildteppich des Lebens‹ hinweist, vergesse ich alles, was du sonst noch sagst«, warne ich sie lächelnd.
    »Untersteh dich! Ich bin immer noch deine Mutter, und du solltest auf mich hören.« Beschwörend drückt sie meinen Arm. »Was ich dir erklären will – im wirklichen Leben, bei der echten Liebe musst du ein Risiko eingehen. Sonst ist sie nichts wert. Würdest du es vorziehen, Daddy nie gekannt zu haben, anstatt ihn wenigstens lieben zu dürfen und dann verlieren zu müssen? So wie ich auch?«
    »Natürlich nicht...« Meine Kehle verengt sich. Obwohl seit seinem Tod fast zwanzig Jahre vergangen sind, spüre ich manchmal immer noch Verzweiflung und Entsetzen, als wäre sein Unfall eben erst geschehen.
    Der Weg endet auf einer Lichtung am Gipfel des Hügels. Vor einer Buchenreihe steht eine Bank, und eine kleine Messingplakette verkündet, dass sie dem Andenken Bills gewidmet ist, der von 1925 bis 2003 gelebt und dieses Fleckchen Erde besonders geliebt hat. Wir setzen uns.
    Obwohl Mum viel kleiner ist als ich, legt sie einen Arm um meine Schultern. Das will ich ihr erleichtern, und so rutsche ich ein bisschen nach unten, denn ich möchte mich wieder klein und beschützt fühlen. »Ich vermisse Daddy.«
    »Ja, ich auch, Schatz«, flüstert sie.
    Und dann sitzen wir sehr lange beisammen.

26
    Noch nie war ich für einen Bankfeiertag an einem Montag so dankbar wie diesmal. Noch eine Gnadenfrist, bevor ich mit der Katastrophe in London konfrontiert werde. Aber am Montagabend, auf der Rückfahrt nach London, total unattraktiv in einem von Jenny geborgten Outfit, denke ich an meine dunkle, ungemütliche Wohnung. Ben hat einen Zweitschlüssel verwahrt und mir gegeben. Plötzlich ertrage ich es nicht, vom Schoß meiner Familie geradewegs in mein stilles, wochenlang unbewohntes Heim zurückzukehren. Ich brauche eine Dekompressionskammer, um den Druck auszugleichen.
    Und so beschließe ich, bei Lulu vorbeizuschauen. Ich habe heute bereits mit ihr telefoniert und alles gestanden. Soviel ich weiß, will sie den Abend zu Hause verbringen. Trotzdem ist ein unangemeldeter Besuch eine riskantere Sache, als es auf

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