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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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gleichzeitig gefürchtet und verhaßt waren.
    Von einem ganzen Berg, der dort von den Bauarbeitern aufgehäuft worden war, hob Kendrick einen Pflasterstein auf. Langsam, Schritt für Schritt, ging er auf den Laden zu. Die Tür war verschlossen. Wütend holte er aus und warf den Stein durch das Schaufenster des Ladens. Endlich ein lautes Geräusch! Die absolute Stille zerbarst in einem herrlichen Klirren.
    Er trat die Scheibe vollends ein und kletterte in den Laden. Die Kühltruhe beachtete er gar nicht. Er riß ein Paket Scheibenbrot auf, nahm ein Stück Hartwurst und aß. Mit Orangensaft spülte er sein Frühstück hinunter.
    »Verhungern werde ich jedenfalls nicht«, murmelte er und verließ den Laden auf dem gleichen Weg, auf dem er ihn betreten hatte.
    Da knallte irgendwo eine Tür.
    Kendrick verharrte einen Augenblick lang, so unwirklich erschien ihm das Geräusch. Dann fuhr er herum und lief los. Wieder knallte die Tür zu. »Ist hier jemand?« rief er. Der laute Klang seiner eigenen Stimme erschreckte ihn.
    Die Tür schlug erneut zu. Der Wind! Es war nur der Wind gewesen!
    »Ganz ruhig«, sagte er laut zu sich selbst. Sein Atem ging schnell und rasselnd … »Jemand will mich um den Verstand bringen. Irgend jemand versucht, mich in den Wahnsinn zu treiben. Eine Verschwörung …«
    Unsinn, schalt er sich selbst. Gas und Wasser und Strom konnte man abstellen – aber nicht den Vögeln das Singen verbieten!
    »Ich muß aus Pine County hinaus.« Er schritt auf die am Straßenrand geparkten Wagen zu. Der erste war ordnungsgemäß verschlossen. Pine County war eben eine ordentliche Stadt, deren Bürger die Vorschriften und Gesetze beachteten. Beim zweiten war der Zündschlüssel abgezogen. Er wußte zwar, daß es Möglichkeiten gab, ein Auto kurzzuschließen, hatte aber nicht die geringste Ahnung, wie man das bewerkstelligte.
    Zu wenig Krimis gesehen, dachte er. Keine Chance. Er mußte weitersuchen.
    Dann hatte er Glück. Er fand einen unverschlossenen Wagen, dessen Zündschlüssel steckte. Er versuchte den Wagen zu starten, doch der Motor sprang nicht an, gurgelte nicht einmal.
    Das war also auch keine Möglichkeit, die Stadt zu verlassen. Aber wie konnte er aus diesem Irrenhaus hinauskommen? Züge schienen Pine County auch nicht mehr anzufahren, sonst hätte er ihren Lärm von seinem Haus aus gehört.
    Der nächste Ort lag gut zehn Meilen entfernt. Er hatte keine andere Wahl, als es zu Fuß zu versuchen. Zweifelnd betrachtete er seine modischen Lackschuhe. Damit würde er wohl kaum weiter als ein paar Meilen kommen, ohne sich Blasen zu laufen.
    Die Kirchturmuhr unterbrach seinen Gedankengang. Sie schlug die Mittagsstunde.
    Das Glockenspiel war so alltäglich, daß es Kendrick zuerst überhaupt nicht auffiel. Doch dann schien etwas in seinem Kopf zu platzen. Die Kirchturmuhr! Alle Uhren standen still, aber die Kirchturmuhr … sie schlug sogar erschreckend laut.
    Er lief los. Als er die Kirche erreicht hatte, erwartete ihn eine neue Überraschung – in Gestalt eines kleinen Hundes, der Kendrick mißtrauisch musterte.
    »Na, mein Kleiner?« Kendrick bückte sich, streckte die Hand nach dem Tier aus. Es gehörte einer undefinierbaren Rasse an. »Bist du ganz allein? Dann komm mal her … na, komm schon …«
    Der Hund bellte. »Nur ruhig, mein Kleiner«, sagte Kendrick besänftigend, ihn mit der ausgestreckten Rechten lockend. »Komm her, Hundchen, und sag, wie du heißt …«
    Ihm wurde der Unfug bewußt, den er redete, aber er fuhr dennoch fort. Der Hund schien genau zu spüren, daß hier etwas nicht stimmte. Als Kendrick ihn fassen wollte, lief er los. Kendrick folgte ihm, doch der Abstand vergrößerte sich zusehends.
    Plötzlich war das Tier verschwunden. Kendrick hielt keuchend inne. Er hatte es höchstens für drei Sekunden aus dem Blickfeld verloren, als er um die Ecke gebogen war …
    »Ein Hund kann sich nicht in Luft auflösen!« knurrte Kendrick. Oder doch? Sein Gesicht wurde eine Spur nachdenklicher. Die ganze Stadt um ihn herum war schließlich leer, und allem Anschein nach hatte sich die Bevölkerung tatsächlich in Luft aufgelöst.
    Suchend blickte er sich um. An der Wand eines Schuppens vor ihm fehlte ein Brett – Platz genug für einen kleinen Bastard, um hindurchzuschlüpfen.
    Als Kendrick näherkam, hörte er aus dem Innern des Holzverschlags ein heiseres Bellen. Er verstand zwar nicht sonderlich viel von Hunden, glaubte aber, deutliche Angst aus dem Gekläff herauszuhören.
    Vorsichtig

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