Willkommen in der Wirklichkeit
ungeduldig. Er wußte, daß die Frau ihn mittlerweile für verrückt hielt, doch die Spannung in ihm stand kurz vorm Bersten.
»Man hat eingebrochen. Beim Lebensmittelhändler.«
Kendrick faßte sich ans Kinn. Es ist also wirklich geschehen, dachte er verzweifelt. Ich bin in dieser Stadt gewesen, habe niemanden gesehen außer einem kleinen Hund. Die ganze Stadt leer bis auf mich und diese kleine Promenadenmischung … Ich habe die Scheibe des Lebensmittelladens eingeschlagen und gestohlen, und niemand hat mich gesehen, und ich habe auch niemanden gesehen …
»Das ist doch unmöglich!« murmelte er. Einen Augenblick lang fühlte er seinen Herzschlag wie einen Schmiedehammer in seiner Brust.
»Was denn, junger Mann?«
Kendrick schrak auf und winkte ab. »Nichts. Ich danke Ihnen. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Er lief davon, zurück zu seinem Haus. Als er an dem Lebensmittelladen vorbeikam, sah er zwei Glaser, die damit beschäftigt waren, eine neue Schaufensterscheibe einzusetzen.
In Gedanken versunken öffnete er die Tür. Drinnen brannte Licht. Die Küchentür schlug, und plötzlich stand eine junge Frau, die er noch nie zuvor gesehen hatte, vor ihm und starrte ihn aus weitaufgerissenen Augen an.
»Ist das denn die Möglichkeit?« schrie sie in hellstem Diskant los, der Wut und Überraschung zugleich ausdrückte. »Jetzt wagen Sie es sogar schon am hellichten Tag! Verschwinden Sie, oder ich rufe die Polizei!«
Kendrick machte einen Schritt auf die Frau zu. Sie wich vor ihm zurück und kreischte auf, schrille, harte Töne. Er ergriff ihre Arme und schüttelte sie. »Was geht hier vor?« herrschte er sie an. »Wer sind Sie? Was haben Sie hier zu suchen?«
Sie riß die Augen noch weiter auf, hörte endlich auf zu schreien und schnappte wie ein Fisch nach Luft. »Was ich hier zu suchen habe?« brachte sie schließlich hervor. »Ich wohne hier!«
»Immer mit der Ruhe!« sagte Kendrick. Hatte er sich im Haus geirrt? Aber nein, er kannte die Möbel um ihn herum genau. Er hatte sie selbst ausgesucht, gemeinsam mit Tessa, in einem großen Discount-Markt in San Francisco …
»Hier wohnt Dr. Philip Kendrick«, sagte er mit einer erzwungenen Ruhe, die ihn selbst überraschte. »Und das bin ich!«
»Sie sind ja verrückt!« sagte die Frau kategorisch. »Sie sind nicht Dr. Philip Kendrick.« Ihre Augen suchten die Wohnung ab – nach einer Waffe, wußte Kendrick plötzlich. »Ich kenne ihn persönlich sehr gut«, wisperte die Frau und wich einen Schritt zurück. »Ich bin seine Frau.«
»Sie sind … wer?« Kendrick stöhnte auf. Die Augen traten ihm aus den Höhlen, und die gesamte Wut und Angst, die sich in ihm aufgestaut hatte, entlud sich mit einem Schlag. »Ich bin Kendrick!« schrie er. »Ich! Ich! Und niemand sonst!« Immer wieder wiederholte er die Worte.
Er hörte zu schreien auf, als von außen die Tür geöffnet wurde. Ein uniformierter Polizist drängte sich durch den Spalt, die gezogene Schußwaffe auf Kendrick gerichtet. »Polizei!« rief er. »Keine Bewegung! An die Wand!« Und, mit einem Seitenblick auf die Frau: »Alles in Ordnung, Janet?«
Sie nickte stumm.
»An die Wand, Freundchen!« wiederholte der Polizist. Die Mündung der Waffe deutete jetzt genau auf Kendricks Brustkorb.
»Hören Sie …«, beschwor ihn Kendrick, doch der Polizist unterbrach ihn mit einer Geste, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Kendrick gehorchte.
Der Polizist tastete ihn nach Waffen ab. »Wer sind Sie?« fragte er dann. »Was wollen Sie hier?«
»Mein Name ist Philip Kendrick«, gab Kendrick gepreßt zurück. Ein abstruser Verdacht stieg in ihm empor. Vielleicht gehörten die beiden zusammen, waren ein ausgekochtes Gangsterpärchen, und er hatte sie bei dem Versuch überrascht, seine Wohnung auszurauben … das würde auch erklären, wieso der angebliche Polizist so schnell zur Stelle gewesen war. Er war der zweite Mann, der den Tatort sicherte …
»Sie sind – wer?« Das ungläubige Erstaunen im Gesicht des Polizisten war echt. Der Mann schaute von Kendrick hinüber zu der Frau, griff sich dann mit einer fahrigen Bewegung ans Kinn und schüttelte den Kopf.
»Er ist verrückt, Jim!« sagte die Frau. Ihre Stimme schwebte noch immer am Rand der Hysterie. »Er muß irgendwo entsprungen sein.«
Draußen quietschten Bremsen. Vielleicht kommt jetzt die echte Polizei, dachte Kendrick erleichtert.
»Das ist Mrs. Kendrick«, sagte der Polizist langsam zu Kendrick und deutete auf die Frau. »Sie ist
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