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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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seit zehn Jahren mit Dr. Kendrick verheiratet. Ich kenne die beiden ziemlich gut, und nicht nur, weil wir Nachbarn sind. Dr. Kendrick ist mein Bruder.«
    Kendrick begann zu zittern. Er hatte nie einen Bruder gehabt, nur eine Zwillingsschwester, und die war sechs Wochen nach der Geburt gestorben.
    Vor dem Haus erklang eine Stimme. Kendrick atmete auf. Jetzt kam die echte Polizei. Jetzt würde sich alles aufklären.
    Aber dann verdüsterte sich sein Blick wieder. Draußen stürmte ein Rudel Polizisten die Auffahrt hinauf, und dieses saubere Pärchen dachte offenbar nicht im Traum daran, sich aus dem Staub zu machen. Und die Worte, die der angebliche Polizist an ihn gerichtet hatte, hatten verdammt echt, so verdammt glaubhaft geklungen.
    »Aber … ich … ich kann beweisen, wer ich bin«, stammelte Kendrick, einem Nervenzusammenbruch nahe. Mit zitternden Fingern durchwühlte er die Taschen seines Anzugs.
    Sie waren leer. Natürlich. Man hatte ihn niedergeschlagen und dann ausgeraubt. Keine Papiere, kein Geld, nichts.
    Zwei weitere Polizisten betraten das Haus. »Alles in Ordnung, Jungs«, sagte der erste, und die Frau, die sich als Mrs. Kendrick ausgab, tippte sich mit dem Finger vielsagend gegen die Stirn, dabei mit dem Kopf auf Kendrick deutend.
    »Sie kommen mit«, sagte der Polizist. »Machen Sie kein Aufsehen!«
    »Nehmen Sie diesen angeblichen Polizisten und die Frau mit«, sagte Kendrick zu den beiden anderen Beamten. »Sie sind in mein Haus eingedrungen und geben sich als mein Bruder und meine Frau aus. Ich beschwöre Sie, ich habe nie einen Bruder gehabt, und das ist auch nicht meine Frau. Sie … Sie müssen die Personalien der beiden feststellen!«
    »Ich glaube, das erübrigt sich. Sergeant Kendrick ist der Bruder von Dr. Philip Kendrick, und diese Dame ist Dr. Kendricks Frau.«
    »Aber …« Kendrick brauchte fünf Sekunden, ehe die Worte des Polizisten in sein Bewußtsein gedrungen waren. »Das ist nicht wahr!« schrie er. »Ich bin Dr. Kendrick! Das ist eine Verschwörung!« Er stürzte auf den neben ihm stehenden Polizisten zu und griff nach dessen Waffe. Der Mann sprang zur Seite und versetzte Kendrick einen Schlag in den Nacken. Plötzlich wirbelte der Fußboden auf ihn zu, und …
     
    … er erwachte auf einer harten Pritsche und sah saubere, weiß getünchte Wände und Gitterstäbe, die seinen Zellenraum von einem schmalen Gang abgrenzten.
    Man hatte ihn eingesperrt! Er befand sich in einer Zelle des Bezirksgefängnisses von Pine County. Es war nur ein kleines Gebäude, das direkt an das Büro des Sheriffs anschloß. Kendrick erinnerte sich, hier im Zellentrakt einmal einen Vagabunden behandelt zu haben, der Läuse eingeschleppt hatte.
    Diese Gefahr bestand nun wohl nicht mehr. Er stank bestialisch nach Lysol.
    Er stieg von der Pritsche und rüttelte an den Gittern. Die fünf anderen Zellen des Traktes waren leer. Pine County war eben ein ordentlicher, ruhiger, angenehmer Ort.
    Nach einer Weile steckte ein älterer Mann den Kopf durch die Türöffnung, die, wie Kendrick noch wußte, zum Büro des Sheriffs führte. Kendricks Hoffnung, mit dem Sheriff oder einem Beamten, der ihn noch von diesem Besuch kannte, den Irrtum sofort aufklären zu können, erfüllte sich nicht: Dieser Mann war ihm unbekannt. Offenbar hatte der Aufseher, mit dem Kendrick damals gesprochen hatte, mittlerweile die Stelle gewechselt.
    »Sind Sie der neue Aufseher?« fragte Kendrick.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Der neue?« Er musterte ihn verwundert. »Tut mir leid. Ich habe den Job hier seit über zehn Jahren.«
    »Hören Sie«, sagte Kendrick, »ich spiele doch nicht in einem zweitklassigen Film mit? Ich kenne Ihren Vorgänger. Er heißt O’Farrell, und ich habe noch vor einigen Monaten persönlich mit ihm gesprochen, als ich hier einen Gefangenen behandelte.«
    »Wenn Sie meinen«, sagte der Aufseher gleichmütig, und Kendrick vermeinte, so etwas wie Mitleid in seinen Augen zu sehen. Er schien ihn wirklich für geistesgestört zu halten.
    »Hören Sie«, flüsterte Kendrick und streckte eine Hand durch die Gitter. »Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, aber dieses Spiel ist verdammt schmutzig. Wir schreiben doch das Jahr 1989, oder?«
    »Sicher tun wir das«, erwiderte der Alte, zwei Schritte zurücktretend. »Beruhigen Sie sich lieber. Sie haben allerhand mitgemacht. Wir haben bereits nach dem Arzt geschickt. Ihre Kopfverletzung …«
    »Ich bin nicht verrückt!« schrie Kendrick. Dann erst hatte er die Worte des

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