Willkommen in der Wirklichkeit
Gegenstände«, sagte Phil. »Und du bist doch eine Teekanne. Ich habe nichts gegen Teekannen.«
Die Teekanne starrte ihn an.
»Ich bin deine Frau, du hast sogar die Kirche gewechselt, um mich heiraten zu können. Wir haben ein Kind. Und du sagst mir kaltschnäuzig ins Gesicht, ich sei eine Teekanne. Ich kenne keine Teekannen, die reden, die Kinder kriegen, die verrückten Schriftstellern Essen kochen, die mit Freunden telefonieren. Ich kann keine Teekanne sein. Begreif das! Mach die Augen auf!«
»So reden alle Teekannen, daran wird sich wohl sobald nichts ändern, und dann verschütten sie irgendwann ihren Inhalt und wenn sie leer sind, wissen sie nicht mehr, wozu sie da sind.«
Phil beugte sich über die Maschine und tippte einige Buchstaben.
»Du bist ein Schwein!« schrie die Teekanne.
»Das sagen alle«, sagte Phil, »und sie versuchen, mich zu fressen, wollen mich in sich einverleiben, sich von mir nähren. Dabei weißt du ganz genau, daß Schweine nicht reden können. Sie pflegen in der Regel zu grunzen oder zu quieken. Über die Philosophie der Schweine weiß man noch nicht sehr viel. Laß mich noch etwas arbeiten, ich muß diesen Roman bis zum Wochenende fertigmachen. Wir brauchen Geld. Die Raten für dein neues Cabriolet sind noch nicht abbezahlt, und die Gastherme streikt schon wieder.«
Die Teekanne rutschte unruhig hin und her.
»Steck dir dein Geld sonstwo hin. Ich werde mit dem Kind gehen.«
Die Wärter trugen die Teekanne in eine Ecke. Rötlicher Dampf entwich aus ihren Öffnungen. Der Deckel ging hoch und eine junge Frau kroch heraus.
»Was willst du denn, Linda?« fragte Phil und kniff die Augen zusammen, um die Frau besser identifizieren zu können.
»Ich brauche Nembutal-Tabletten«, sagte die junge Frau. Ihre Augen blickten unruhig, wanderten gehetzt durch den Raum; sie übersah die Zuschauer.
»Warum brauchst du Tabletten?«
»Ich will mich umbringen, halte es nicht mehr aus. Ich habe schon alle Typen, die ich kenne, angehauen, konnte aber nicht mehr als 50 Tabletten zusammenbekommen. Ich brauche noch 30 oder 40 mehr, verstehst du, dann wäre ich in Sicherheit.«
Phil verstand, daß sie ihn um Hilfe bat. Sein Elend bestand seit Jahren darin, daß er Leuten helfen mußte.
Sein Psychiater erzählte ihm einmal, daß er zwei Sachen unternehmen mußte, damit es ihm besser ginge: von dope abkommen (was ihm nicht gelungen war) und damit aufhören, anderen Leuten zu helfen (er versuchte immer noch, Leuten zu helfen). Außerdem war es eine Tatsache, daß er keine Nembutal-Tabletten besaß.
»Ich habe zehn«, sagte er. [13] Hätte er die Wahrheit gesagt, hätte sie ihn stehengelassen.
Palmer Eldrich verscheuchte die junge Frau mit einer herrischen Geste.
»Damit fängt dein biographischer Roman ›Valis‹ an. Wir haben die Szene alle gelesen. Du hilfst jemandem, und deine Hilfe ermöglicht es ihm, sich umzubringen. Du verstehst die Welt nicht und nimmst alles direkt. Du kennst nur die Gegenwart, aber die Gegenwart, jede Gegenwart, hat eine Geschichte. Es ist ein Elend mit dir.«
»Du hast recht«, sagte Phil. »Du hast mich überzeugt. Und wenn du von mir etwas haben willst, ich würde es dir geben. Das ist wohl ein Anzeichen für ein sehr schwaches Ego. Wenn meine Ansicht zutrifft, daß jeder Mensch seine eigene Welt besitzt, und sie behaupten, Nembutal-Tabletten seien schlecht, dann sind sie in ihrer Welt schlecht. Und wenn Gloria behauptet, Nembutal-Tabletten wären gut, dann sind sie in ihrer Welt gut. ›Die Frage: Gut oder schlecht? ist semantisch für mich völlig bedeutungslos. Das ist meine Meinung. Wenn du anderer Meinung bist, könntest du rechthaben. So ist das.‹« [14]
Er lehnte sich zufrieden zurück.
»Und wieder hast du nur aus einem Interview zitiert, welches du 1980 mit Charles Platt geführt hast. Du hast ihn aufgenommen, während er dich interviewt hat. Wer hat eigentlich damals wen interviewt?«
»Das spielt keine Rolle. Sicher habe ich mich wieder mit Schuld beladen, habe Unheil angerichtet, bin in die Welten anderer eingedrungen. Ich habe eine Ratte getötet, um sie von ihren Schmerzen zu erlösen, habe eine Teekanne verbeult, um sie zu verschönen. Das Ergebnis ist immer schrecklicher als die Tat gewesen. Dennoch habe ich immer richtig gehandelt, habe ich niemals Böses geplant. Es ist gleichgültig, was einer tut. Alles kann sich jederzeit ins Gegenteil verkehren. Die Welt ist, das weißt du genau, das Werk eines Verrückten und wir müssen ihn unentwegt
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