Willkommen in der Wirklichkeit

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Autoren: Uwe Anton

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mit unserem Verstand und unseren Gefühlen korrigieren und gehen dabei lachend zugrunde.«
    Gloria sank in der Ecke zu Boden und wurde von zwei Uniformierten hinter einen Vorhang gebracht.
    »Wo wird sie hingebracht, was geschieht mit ihr?« fragte Phil.
    Eldrich schüttelte mißbilligend den Kopf.
    »Du spielst ein Spiel mit zu hohem Einsatz, Phil. Die Toten verschwinden nicht aus der Welt. Sie hinterlassen uns die Schuld, die sie angerichtet haben während ihres Lebens, sie verstärken unser Elend um ihr Leiden, und wir werden von ihrer Todessehnsucht infiziert.«
    Phil stand von seinem Stuhl auf, rollte das Blatt Papier aus der Schreibmaschine, zerknüllte es und warf es achtlos zu Boden. Er ging zu einer Schüssel, die auf dem Boden stand, und wusch sich die Hände. Sie wurden jedoch immer dunkler, färbten sich violett, eingefärbt von Calium Permanganat (Gentiane). Er gab es auf, sah auf seine violetten Hände und ging auf Palmer Eldrich zu.
    Der sagte:
    »Du bist ein haltloser Mensch, Pferde- und Katzenliebhaber, Dick. Diejenigen Frauen, die weniger verpflichtend mit der Wirklichkeit dieses Landes verkabelt sind, die auf den Körper achten, auf die Liebe, sie können dich nicht verstehen, weil du ständig außer dir bist. Die Rationalistinnen unter den Frauen stößt du vor den Kopf mit einer Geschichte, die die Logik der Befürworter der Abtreibung ad absurdum führt. Du hast es verstanden, die ganze Welt gegen dich zu mobilisieren. Die einzigen, die zu dir halten, sind die SF-Fans, die deine Gedanken nicht verstehen, deine Romane aber lieben, weil sie spannend geschrieben sind. Es stellt sich die Frage: Wolltest du dich selbst vernichten, weil die Selbstvernichtung der Logik des Realen am besten entspricht?«
    Phil ging unruhig auf und ab, sah einzelnen Zuschauern tief in die Augen, raufte sich seinen wirren Bart, blähte seine großen Nasenlöcher. Er sah an den Wänden des großen Gefängnisses hinauf, wo die Schwärze sich ausbreitete und Licht und Ton verschluckte.
    Aus dem Dunkel drohten gewaltige Kreuze herunter, leere gleißende Kreuze, gefügt aus schweren Holzbalken, festgefügte Drohung des Todes.
    Sein Kopf sank in den Nacken und er zitierte, was er geschrieben hatte in das riesige Buch, welches sein Leben und Denken verzeichnete.
    »Der Tod hat etwas Ungeheuerliches an sich. Tod an sich hat eine gewaltige Macht. Eine Transformation, genauso ehrfurchtgebietend wie das Leben selbst, und um so viel schwerer für uns zu verstehen.« [15] Das schrieb er in seinem Roman ›Martian Time Slip‹.
    Phil raufte sich den Bart.
    »Das Schlimmste ist, daß wir nicht wissen, wo der Tod beginnt und wo das Leben aufhört.« Er wies auf die Zuschauer. »Was an euch ist lebendig, was an mir ist tot? Ich bin die Animation eines Gestorbenen (laut Palmer Eldrich), eine Rolle fürs Musiktheater. Ihr seid die Beschwörung einer zufälligen Auswahl von Lebenden für die Zelebrierung meines einsamen Lebens und Todes. Welche Beschwörung ist schrecklicher? Ich habe mich vollgestopft mit dem Wissen der Toten, so sehr, daß ich in meinen Visionen die Sprachen der Toten besser verstand als die Sprache der Lebenden, die Sprache meines Körpers. Dicht ist in mir das künstliche Geflecht der Codes, meine Persönlichkeit auslöschend. Ich wurde zur Unperson, mußte mich mühsam in einer Welt zurechtfinden und an ihr zugrundegehen, die nicht zu entschlüsseln war. Ich geriet von einer Horrorsituation in die nächste, und der Schrecken wurde so unerträglich, daß nur noch der Witz das Leben erträglich machte. Meine Katzen verstanden mich manchmal.«
    Er schwieg. Es wurde ruhig im Raum. Die Instrumente verstummten. Die Luft, dicht vom Atem der vielen Menschen, war verbraucht und abgestanden, erdrückte die Gedanken. Die Menschen saßen benommen da, ihre Hirne konnten das Ausmaß an Unwirklichkeit nicht mehr verkraften.
    »Dein Hosenstall ist offen!« sagte jemand, und die Leute begannen erleichtert zu lachen. Das Gelächter ließ die Lichter im Raum heller werden. Einer der Wärter drehte langsam am Dimmer.
    In der zweiten Reihe fing, das Gelächter übertönend, ein Mensch, vermutlich ein Schauspieler, zu stöhnen an. Es war ein älterer, krank aussehender Herr. Er schleppte sich in die Mitte des Raumes, zusammengekrümmt, die Hand auf sein Herz gepreßt, den Körper mit Mühe bewegend.
    »Ein Arzt, holt einen Arzt! Ist denn kein Arzt anwesend?«
    Die Leute tuschelten durcheinander. Aber keiner traute sich, etwas zu