Willkommen in der Wirklichkeit
tranken … Nein! dachte Valentin. Nicht dieses Leben, dieses falsche Leben, kein Sternenleben. Der Gedanke brach den Bann; die Verbindung zum kosmischen Mutterschoß riß, die physikalische Welt verschwand und wich dem seinlosen Intervall.
Sie stürzten wieder, Valentin und Christina.
Dem Leben entgegen.
Zurück in die Zeit. Und weiter, in die Vergangenheit, durch den Tunnel der Chronosonde.
Im Sturz sah Valentin Gesichter: Frauenaugen, Frauenmünder, gewölbte Bäuche, fruchtbare Schöße. Werdende Mütter aus allen Ländern der Welt und aus den Jahren, die vergangen waren. Sie stürzten weiter und weiter, an Jahrzehnten vorbei, im rasenden Fall, während Valentin verzweifelt den Sturz zu bremsen suchte, nach jedem Anker griff, der sich ihm bot, jedem Gesicht.
Zwei Mütter, einander nah in Raum und Zeit.
Zwei Ungeborene, in die ihre Seele fahren konnten, um ins Erdenleben zurückzukehren, ohne erneut getrennt zu werden.
Wir werden uns erinnern, dachte Valentin beschwörend, und Christina dachte: Wir haben uns immer erinnert.
Der Sturz wurde langsamer.
Das Ende des Zeittunnels lag Jahrzehnte tiefer, aber aus der Flut der Bilder und Gesichter schälte sich ein einzelnes Gesicht hervor und fing sie auf, fischte sie aus dem Intervall und gab ihnen Halt im Erdenleben. Körper. In der Wärme und Geborgenheit des Mutterschoßes.
Sie hatten ihr Ziel erreicht. Sie waren daheim. Gemeinsam. Wir werden uns erinnern, dachte Valentin, bevor das Vergessen kam, wir werden uns erinnern … Und er wunderte sich, wie nah Christina ihm noch immer war, ganz nah, Haut an Haut im Mutterschoß … Haut an Haut …
Schwester?
Bruder!
O GOTT NEIN NEIN NEIN – – – –
Es war zu spät. Das Licht der Welt brachte das Vergessen … und das Leben.
Epilog
Philip K. Dick und seine Zwillingsschwester Jane wurden am 16. Dezember 1928 in Chicago geboren. Jane starb wenige Wochen nach ihrer Geburt. Aber ihre Spuren finden sich überall in der seltsamen Welt des Philip K. Dick. Wie Erinnerungen an ein anderes Leben.
Copyright © 1990 by Thomas Ziegler
Die Autoren
Uwe Anton , geb. 1956 in Remscheid, Autor und Übersetzer (u.a. zahlreicher Werke von Philip K. Dick, darunter DIE SIMULACRA), Verfasser von etwa 50 Artikeln über Leben und Werk des Autors. Gilt als einer der besten Kenner von Dicks Werk. Als Herausgeber: DIE SELTSAMEN WELTEN DES PHILIP K. DICK (Corian, Meitingen 1984); KOSMISCHE PUPPEN UND ANDERE LEBENSFORMEN – EIN PHILIP K. DICK READER (München 1986, Heyne 06/4328). Hat ein umfangreiches Sekundärwerk über Dicks Werk in Vorbereitung. Mehrfach für den Kurd Laßwitz-Preis nominiert.
Michael Bishop , geb. 1945 in Lincoln/Nebraska. Autor zahlreicher, u.a. mit dem Nebula-Award ausgezeichneter Romane und Kurzgeschichten. Schrieb u.a. eine Einleitung zu der (nicht abgeschlossenen) Gesamtausgabe von Dicks Werk bei Gregg Press und den Roman THE SECRET ASCENSION (ALAS, PHILIP K. DICK IS DEAD) mit Dick als Protagonisten (dt. DIESER MANN IST LEIDER TOT, München 1991, Heyne 06/4785)
Philip K. Dick , geb. 1928 in Chicago, gest. 1982 in Santa Ana, Kalifornien. Verfaßte über 100 Kurzgeschichten und etwa fünfzig Romane, zum größten Teil Science Fiction. Gilt als einer der bedeutendsten SF-Autoren der USA und wurde überdies in der Columbia Literary History of the United States als einer der neun wichtigsten amerikanischen Schriftsteller der fünfziger Jahre bezeichnet.
Thomas M. Disch , geb. 1940 in Des Moines/Iowa. Autor zahlreicher Romane und Kurzgeschichten. Verfaßte u.a. eine Einleitung zu der Gregg Press-Ausgabe. War Mitglied des Preisvergabe-Komitees des Philip K. Dick-Awards. Derzeit u.a. Literaturrezensent für den amerikanischen Playboy.
Neil Ferguson , geb. 1947, derzeitig in London wohnhaft. Hat mit RATS LIVE ON NO EVIL STAR (auch: FEAR OF CHANCE) einen (noch unveröffentlichten) Roman verfaßt, über den der Kritiker John Clute schrieb: »Es ist ein Roman von Philip K. Dick … nicht unbedingt einer seiner besten, aber auch keiner seiner schlechtesten.«
Ronald M. Hahn , geb. 1948 in Wuppertal, Autor und Übersetzer, Verfasser zahlreicher Filmlexika (hält The Blade Runner – nach Dicks Roman TRÄUMEN ROBOTER VON ELEKTRISCHEN SCHAFEN? – für einen der besten SF-Filme aller Zeiten). Veröffentlichte als Herausgeber der Ullstein-SF-Reihe zwei Romane von Philip K. Dick, von denen er auch einen übersetzte. »Philip K. Dick ist nach dreißig Jahren SF-Lektüre der
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