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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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finanzielle Basis unserer Gruppe gefährdet.«
    »Hier«, stieß Werring hervor. Er holte seine Brieftasche aus dem Jackett und entnahm ihr einen Hundertmarkschein. »Das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen. Das ist für die Clubkasse.« Er grinste breit.
    Wesselheimer stieß Florenz mit dem Ellbogen an. »Hey, Wallmond, du bist der Kassierer. Nehm ihm den Blauen ab, bevor er’s sich anders überlegt.«
    Florenz raffte sich träge auf und beugte sich mit gerötetem Gesicht über den Tisch, um Werring den Schein abzunehmen. Blaster gab ihm noch einen weiteren in die Hand. »Ich lege noch einen Zwanziger dazu«, sagte er. »Hoffentlich haben sich die Wogen damit geglättet.«
    Die Leute klatschten und schlugen auf die Tische. Die beiden Mädchen, die unsicher stehengeblieben waren, fuhren fort, Getränke zu verteilen. Florenz steckte das Geld ein, stützte die Ellbogen auf und sackte in sich zusammen. Dieter Wesselheimer schnaufte mürrisch.
    »Dann wollen wir mal wieder zur Tagesordnung zurückkehren«, sagte Peter Blaster.
    »Augenblick«, sagte jemand vom anderen Ende des Tisches. »Ich habe da etwas noch nicht verstanden …«
    »Du verstehst nie etwas«, warf Dieter Wesselheimer ein und verschränkte die Hände über dem Bierbauch. »Wozu sitzt du überhaupt noch hier?« Sofort wurde es wieder laut. Peter Blaster tropfte etwas Büchsenmilch in seinen Kaffee und rührte nachdenklich um.
    Im selben Moment wollte Werring ein Bier an seine Lippen heben, aber der Boden des Glases fiel plötzlich ab und der Inhalt ergoß sich über das Papiertischtuch. Sofort stürzten mindestens zehn Genossen herbei, um die Lache mit Servietten und Taschentüchern daran zu hindern, über den Tischrand zu kleckern.
    »Du verdammter Schwachkopf«, sagte Dieter Wesselheimer, während er mit einem Lappen über seine Tischhälfte fuhr. »Jetzt versaust du uns auch noch das Inventar.«
    Werring spreizte entrüstet die Arme und wischte sich die Bierflecken vom Anzug. »Was kann ich denn dafür?« schrie er. »Elende Scheiße.«
    Blaster machte Anstalten, wieder mit dem Teelöffel gegen die Tasse zu schlagen, um für Ruhe zu sorgen. Der Löffel hatte sich allerdings zur Hälfte in dem Kaffee aufgelöst. »Was ist das denn?« murmelte Blaster und starrte entgeistert auf den Stumpf, den er in der Hand hielt.
    Es kehrte gerade wieder etwas Ruhe ein, da brach Florenz an seinem Platz in Tränen aus. Er ballte die Hände zu Fäusten und donnerte mit der Stirn auf die Tischplatte. »Diese verdammte Frau«, schluchzte er. »Ich bring mich um. Ich ertrage es nicht.« Die Kulturfreunde sahen ihn erstaunt an.
    »Da siehst du, was du angerichtet hast«, sagte Dieter Wesselheimer mit einer vorwurfsvollen Geste zu Werring. »Dem armen Kerl ging’s schon den ganzen Tag so schlecht, und du mußt natürlich gleich wieder Krach anfangen.« Er legte Florenz einen Arm über die Schultern und half ihm auf.
    »Komm, mein Teurer«, sagte er. »Ich bring dich raus aus diesem Saustall.« Niemand sagte mehr ein Wort, bis sie den Raum verlassen hatten. Nur Florenz’ Gewimmer war noch zu hören.
    Draußen auf dem Korridor ließ Wesselheimer ihn los, nickte zufrieden und klopfte ihm auf die Schulter. »Du warst sehr überzeugend«, sagte er.
    Florenz wischte sich die Feuchtigkeit aus den Augen und grinste. »Jederzeit. Aber es ist ziemlich anstrengend. Das nächste Mal bist du dran.«
    »Wo denkst du hin, mein Teurer«, sagte Dieter und schob ihn vorwärts. »Du gehst so in deiner Rolle auf, daß ich mich nie dazwischen drängen würde.« Er räusperte sich. »Gehen wir. Die Burschen warten schon.«
    Im Keller der Universität, mitten zwischen den Entlüftungs- und Abwasseranlagen der inzwischen völlig auf naturwissenschaftlichen Betrieb umgestellten einstigen Philosophischen Fakultät gelangten sie an eine dezimeterdicke, kunststoffverschalte Tür zu einem Kühlraum. Dieter preßte einen Klingeltaster und sprach ein Shakespeare-Zitat in das winzige Mikro, das unter dem Türspion angebracht war.
    »Faßt frischen Mut! So lang ist keine Nacht, daß endlich nicht der helle Morgen lacht …«
    Die Klappe über dem Spion schwenkte zur Seite und jemand sah sie an. Florenz und Dieter schlossen die Reißverschlüsse ihrer Jacken. Es verging eine halbe Minute, dann wurde die Tür aufgeschoben.
    Eine Gestalt in einem aluminiumbeschichteten, armdicken Mantel führte sie durch einen tiefgekühlten Laborraum. Auf den eisbeschlagenen Regalen standen Flaschen und Ampullen mit

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