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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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übersäten Barackenkomplex in einer staubigen Kraterlandschaft zeigte.
    Florenz trat neben seinen Freund und starrte bewegungslos das Bild an. »Mir kommt gerade ein Gedanke«, sagte er. »Angenommen, die Regierung würde die nötige Softwareprogrammierung für SDI in viele kleine Einzelschritte zerlegen und als getarnte Kleinprojekte von freien Mitarbeitern erledigen lassen.«
    »Das ist absurd.«
    »Nur mal angenommen.«
    »Was wäre dann?«
    »Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie sich meine Programme in einem solchen System auswirken würden. Sagen wir mal, der Typ von der Kölner Jazzkooperative sei nur ein Mittelsmann gewesen. Die Aufgabenstellung, die er mir vorgegeben hat, läßt sich ohne viel Aufwand auch auf andere Systeme als nur elektronische Musikinstrumente übertragen.«
    Phil kam einige Schritte näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube, Sie bringen uns der Lösung näher, lieber Freund«, sagte er. »Ich wußte immer, daß an Ihrer Arbeit etwas Besonderes ist. Erklären Sie uns das.«
    »Es ist eine Frage der Präzision«, sagte Florenz. »Mein Hauptbemühen galt immer dem Problem, daß elektronische Instrumente und Klänge zu präzise sind. Kein natürliches Instrument, auch nicht die menschliche Stimme, kann zweimal hintereinander den selben Laut erzeugen. Es gibt immer leichte Abweichungen und deshalb klingen diese Instrumente so lebendig. Um das nachzuvollziehen, habe ich meine ganze Musiksoftware in gewisser Weise ungenau gemacht. Das Timing der Sequencer schwankt minimal. Jeder Synthesizerton ist leicht verstimmt. Die Klangwiedergabe erfolgt jedesmal etwas anders. Das ist ein Grundprinzip meiner Software, um die Sache aufzulockern, und ich habe das nie eigens erwähnt. Wenn jetzt jemand ein solches Programm umfunktioniert, meinetwegen in den Bordcomputer eines Satelliten oder Shuttles einspeist …«
    Ein mächtiges Schaben und Kratzen in den Lautsprechern der Fernseher und Radios unterbrach ihn. In einem vielfachen Lichtblitz verschwanden die Mondaufnahmen, um sekundenlangem Rauschen zu weichen, bevor sich neue Bilder aus dem Mattscheibenschnee schälten.
    Es erschienen Aufnahmen nächtlicher Straßen, durch die Sondereinsatzwagen der Polizei entlangrasten. Im selben Moment hörten sie aus dem Laden Dorothea Brescotts Schrei.
    »Jetzt habt ihr’s geschafft, ihr Verrückten«, schluchzte sie, als sie die Tür zur Werkstatt aufriß und hereingestürzt kam. »Sie sind hier. Ihr elenden Mistkerle habt mir die Bullen in meinen schönen Laden gehetzt.«
    Die Wagen auf den Bildschirmen hielten am Straßenrand und eine Reihe schwerbewaffneter Polizisten stürzte heraus. Phil nahm das Mädchen in den Arm und tröstete sie schweigend. Im Gegensatz zu allen anderen wirkte er nicht erschrocken, er lächelte sogar. Dieter Wesselheimer zog unterdessen einen Stuhl zum Fenster, kletterte hoch und sah hinaus.
    »Scheiße«, stieß er hervor. »Die belagern das ganze Haus. Sie sind ein verdammter Schwachkopf, Schlicht, daß muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Eine solche Schlamperei wäre uns nie passiert.«
    Winfried Schlicht wich mit entsetztem Gesicht in die Nische zwischen einem Arbeitstisch und der Wand zurück, wobei er hastig in seinem Mantel kramte. Aus den Lautsprechern klang ohrenbetäubendes Sirenengeheul. Polizisten schrien sich knappe Kommandos zu.
    »Stecken Sie Ihre Knarre weg, Schlicht«, sagte Dieter Wesselheimer. »Die schießen uns über den Haufen, bevor Sie Ihre Wasserpistole entsichert haben.«
    Phil stand weiterhin ruhig und würdevoll da und hielt das Mädchen im Arm, das ihm wie ein Kind gerade bis zur Schulter reichte. »Seien Sie nicht aufgeregt, liebe Freunde«, sagte er. »Uns kann nichts zustoßen. Meine Schwester wird uns nicht im Stich lassen. Gleich wird irgend etwas geschehen.«
    »Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Phil, aber Ihre Zuversicht hilft uns jetzt wirklich nicht weiter«, meinte Dieter. Florenz half ihm herunter. Gemeinsam eilten sie in den Korridor und kamen fast augenblicklich wieder. »Zwecklos. Es ist zu spät. Wir zappeln im Netz.«
    Im Laden splitterten die Scheiben. Holz krachte, und schwere Schritte waren zu hören. Einige Sekunden jaulte die Alarmanlage, dann brach der Ton unvermittelt ab. »Durchsucht mir diese Bruchbude!« brüllte jemand. »Und Gnade euch Gott, wenn uns irgendwer durch die Lappen geht.«
    Die fünf Menschen wichen schrittweise in den hinteren Teil der Werkstatt zurück. Als die Polizisten, mit schwarzen

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