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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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Mitleid und Ablehnung.
    Unwissentlich beginnt der Kriminalkommissar mit den Händen zu fuchteln. »Mein Vergeltungsgedanke ist etwas ganz anderes als Rache. Ich …«
    »Die Blüten Ihrer Phantasie interessieren uns nicht, Dezikrat«, unterbricht ihn Gernsback, schwingt seinen Füllhalter wie einen Dolch. »Ihre Verworfenheit steht außerhalb jeder Beratschlagung.«
    In Dicks Miene hat sich inzwischen das Verständnis durchgesetzt. »Für jeden Menschen gibt es einen Rat.« Sein Blick streift den Zentikraten deutlich voller Vorwurf. »Ihnen kann ich nur eins empfehlen«, sagt Dick zu Kürten, schaut ihn fest an. »Gehen Sie Ihren Weg bis zum Ende.«
    Kürten greift sich an den Kopf, den er schon eimal verloren gehabt hat, gänzlich diffus hat er das Gefühl, entweder mit einer Plattheit abgespeist worden zu sein, oder noch ein paarmal ausgiebig über den Ratschlag Dicks nachdenken zu müssen.
    »So etwas sieht Ihnen ähnlich, Dick.« Gernsbacks Gehässigkeit steigert sich zur Feindseligkeit. »Es bereitet mir persönlichen Kummer, daß jemand mit so frivolen Ideen und fragwürdigen Anwandlungen wie Sie mit dem HUGO Award ausgezeichnet worden ist.«
    »Es hat mich auch geärgert, einen ausgerechnet nach Ihnen benannten Literaturpreis zu kriegen. Schließlich ist das ’n Witz, ’s ist grotesk, niemand hat der Science Fiction dermaßen geschadet wie Sie.«
    »In dieser Hinsicht sind abweichende Einschätzungen verbreitet«, sagt Gernsback so eisig, als verhauche er mit jedem Wort Frost.
    »Freilich.« Angesichts der Unnachgiebigkeit des Zentikraten lehnt sich Dick versöhnlich auf dem Stuhl zurück, faltet erneut überm Nabel die Hände. Kürten fühlt wieder Kaltes, Hintergründiges von ihm ausgehen, wenn stimmt, was H.G. behauptet hat, muß es so etwas wie eine Ausdünstung der Schizophrenie sein, die mit dem Schweiß verströmte Emanation einer gespaltenen Persönlichkeit, deren Zugehörigkeiten, Befindlichkeiten im unklaren bleiben.
    »Wir vergeuden unsere Zeit, Dick.« Umständlich nimmt der Zentikrat den Sitzplatz hinter seinem Pult ein, atmet gedehnt aus, bemüht sich um eine Fassade der Geschäftsmäßigkeit. »Streiterei um Ihre aparte Art von Truglogik bringt uns nichts ein. Kommen wir zur Sache und reden wir comme il faut!«
    »Einverstanden.« Dick nickt bedächtig, während Herr Kürten, der stehen muß, das Standbein wechselt; in dem verstauchten Fußknöchel machen sich von neuem Beschwerden bemerkbar. »Erklären Sie mir die lachhafte Situation, in die ich geschlittert bin … Warum ich nach meinem Tod Ihnen gegenübersitze.« Dick feixt.
    »Wenn Sie mir gut zugehört haben«, sagt Gernsback, ohne sich durch die erneute Stichelei reizen zu lassen, jedoch mit einer Miene, der man die Erwartung ansieht, daß Dick das Lachen noch vergehen dürfte, »müßte Ihnen aufgefallen sein, daß ich vorhin von ›diesem Universum‹ gesprochen habe.« Dick nickt noch einmal. »Das geschah nicht ohne Grund.«
    »Ich nehme an, Sie meinen damit, daß ich nach meinem Ableben in einen von Ihrer Psyche dominierten Idios- Kosmos verschlagen worden bin.«
    »Aber nein …!« Gernsback packt seinen Cloisonné-Brieföffner, als habe er vor, ihn Dick ins Herz zu stoßen. Der Stahl des Brieföffners blinkt wie die Verheißung eherner Gerechtigkeit. Kürten fängt grüblerisch an seinen Nasenhaaren zu pfriemeln an. In seinen Ohren rumort mit einem Mal ein Sausen, als rausche Blut.
    »Ich existiere bloß noch als Engramm in Ihrem Zentralnervensystem.« Mit der Unterlippe macht Dick ein Schüppchen.
    »Unsinn!« Irritiert knallt Gernsback den Brieföffner zurück in die Schreibschale aus wie Suppenfleisch gemasertem Marmor. »Seien Sie nicht albern, Mensch. Das ist hier keiner Ihrer Romane. Es ist harte Wirklichkeit, aber eine andere Wirklichkeit. Eine andere Welt.« Seine Lippen zucken, als er Dicks Brauen sich wölben sieht. »Sie befinden sich in einem Paralleluniversum. Ich bin nicht der Gernsback des Raum-Zeit-Kontinuums, aus dem Sie stammen. Allerdings bin ich erfolgreicher als mein Alter ego in der Raum-Zeit-Union Ihrer Herkunft. Hingegen ist Ihrem hiesigen Alter ego nur ein kurzer Lebenslauf beschieden gewesen.«
    »Das ist alles völlig unmöglich.« Störrisch strafft sich Dick.
    »Als Science Fiction-Autor sagen Sie so etwas?« Gernsback lacht hämisch.
    »Es ist vollkommen ausgeschlossen.« Dicks Trotz beweist, daß er durchaus vom Gegenteil überzeugt ist, seine Bockigkeit ist lediglich ein Anzeichen seines Mangels

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