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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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heiß wie eine gußeiserne Platte zum Pfannkuchenbacken, und die Hitze entlockte den Teppichen und Wänden, der Decke und den Balken jede Menge fauliger, widerlicher Gerüche. Es war der Geruch der Geschichte, ranzig und urzeitlich. Charlie erstickte fast daran. Er hatte Schmerzen wie ein Athlet am ersten Trainingstag, war wund wie ein frisch an die Ruder geketteter Galeerensklave. Sein Rücken fühlte sich an wie roher Teig, besaß weder Form noch Faser, seine Schultern, Ellbogen und Unterarme durchzuckten tückische Stiche und Krämpfe, überall zwickte und zwackte es. Die Nacht hatte er zusammengerollt neben George auf dem Teppich vor dem Ofen verbracht – es hätte keinen Sinn gehabt, durch die ganze Stadt zu Mrs. Eyvindsdottir zu trotten –, und er aß, was immer Bookbinder auftrieb. Was nicht viel war. Pökelfleisch und Pfannkuchen, lauwarmen, ungezuckerten Tee zum Hinunterpülen, und das morgens und mittags. Es war nicht unbedingt die Sorte Leben – oder die Art Kost –, die er sich für den geschäftsführenden Direktor der Per-Fo Company, Inc., vorgestellt hatte, aber er war trotzdem guter Dinge. Jetzt endlich, zu guter Letzt, sollte er in die Geheimnisse der Flockenherstellung eingeweiht werden.
    Per-Fo, so war es geplant, sollte ein von den anderen auf dem Markt befindlichen Frühstücksflocken nahezu ununterscheidbares Produkt werden. Einzigartigkeit würde es dank seiner speziellen Geschmacksrichtung erlangen und aufgrund des Eindrucks, den der Reklamesturm in der Öffentlichkeit hinterlassen würde, aber ansonsten sollte es sich nicht von Kellogg’s Toasted Corn Flakes oder C.W. Posts neu eingeführten Post Toasties unterscheiden. Seine Produzenten (Charlie, Bender und Bookbinder, der für sein Expertentum mit einer hübschen Summe aus Mrs. Hookstrattens Reserve belohnt wurde und dem ein Aktienpaket der Firma versprochen war) wollten sich an das konventionelle Verfahren zur Flockengewinnung halten, wie es Dr. Kellogg dreizehn Jahre zuvor bei der Herstellung seiner ersten Weizenflocke erfunden hatte und wie es von demselben kulinarischen Hexenmeister 1902 im Rezept für die getoasteten Maisflocken perfektioniert worden war.
    Zuerst mußten die Maiskörner gemahlen werden, damit die hornartige äußere Schale und der ölhaltige Keim vom stärkehaltigen Grieß getrennt wurde (zu viele Keime, und die Flocken würden auf den Ladenregalen ranzig, wie es bei dem mittlerweile eingegangenen Korn-Krisp-Produkt der Fall gewesen war). Die Körner wurden mit Dampf behandelt, bis sie aufsprangen, danach wurden Spelzen und Keim entfernt und der Grieß in rotierenden Kesseln weiterhin mit Dampf behandelt und gewürzt, für gewöhnlich mit Salz, Zucker und Malz. Dann wurde der Grieß getrocknet und erneut aufgekocht, anschließend stehengelassen, damit er weich wurde, Geschmack und die Eigenschaft entwickelte, richtig zu flocken (dieser letzte Schritt war eine rein zufällige Entdeckung Dr. Kelloggs, der, nachdem er Ladung um Ladung erfolglos behandelt hatte, fortgerufen wurde und versehentlich einen Kessel Grieß muffig werden ließ; der muffige Grieß flockte wunderbar). Nachdem er erneut hart geworden war, wurde der zweimal gekochte Grieß unter dem zermalmenden Druck einer Reihe wassergekühlter Walzen zu Flocken gerollt, und diese wurden schließlich getoastet. Das war es. Das ganze Verfahren, von Anfang bis Ende. Alles, was Per-Fo tun mußte, um einen Marktanteil zu gewinnen, war, einen leichten Selleriegeschmack zu erzeugen und den Gehalt an Malzextrakt zu variieren, damit ein leicht veränderter Geschmack herauskam (wirklich nur leicht verändert – schließlich gab es keinen Grund, den Erfolg aufs Spiel zu setzen).
    Am Nachmittag des zweiten Tages sah sich Charlie verantwortlich für zwei brühendheiße Kessel voller Grieß, der abkühlen sollte und den Bookbinder mit Malzextrakt, Salz aus einem Streuer und einer geheimnisvollen gallegrünen Flüssigkeit »imprägnierte«, die er erhalten hatte, indem er Sellerieknollen mit Blättern und allem Drum und Dran verkocht hatte, während gleichzeitig von ihm erwartet wurde, daß er George und einem aushilfsweise angeheuerten Mann dabei half, mit der Hand eine Wäschemangel zu drehen, um die Flocken zu produzieren. In drei riesigen Eisenkesseln dampfte die nächste Ladung auf dem Ofen, während die vorhergehende auf einem Blech im Ofen röstete. Der Keller war ein einziges Chaos, George schleppte Holz herein und schürte das Feuer, Charlie lief zwischen Herd

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