Willkommen in Wellville
Festhalten des Hutes auf dem Kopf, und so ließ er ihn vorübergehen. Voller Bedauern.
Der Bootsverleiher bestand darauf, daß Will als erster ins Boot stieg, um das Gewicht der Dame auszubalancieren oder so ähnlich, und Will, der nicht recht wußte, wie, bückte sich tief über den Rand des Stegs und trat mit einem Fuß in die schwankenden Tiefen des Boots. Kaum berührte sein Fuß die Planken, tauchte das Ding unter ihm weg, nur um wieder hochzustoßen, als er sein Gewicht verlagerte und den anderen Fuß hastig vom Steg zog. Einen prekären Moment lang schwebte er zwischen Land und Wasser, und gerade als er dachte, er hätte sein Gleichgewicht wiedererlangt, spürte er, wie er nach hinten kippte und beide Arme ausstreckte wie ein Mann, der auf einem Drahtseil geht. Wundersamerweise konnte er sich retten, indem er sich schwerfällig querschiffs auf den Sitz fallen ließ, während unter ihm die schwarz züngelnden, widerwärtigen Wellen schäumten und gurgelten. Er war nicht naß geworden und nicht verletzt, und die Peinlichkeit eines unfreiwilligen Bades war ihm erspart geblieben, aber unglückseligerweise nutzte der Strohhut diesen Augenblick, um sich für immer von seinem Kopf zu verabschieden, wie ein Diskus über die Wellen zu segeln und in knapp hundert Meter Entfernung in einem Wellental zu versinken. Er bemerkte es kaum. Mit unbedecktem Kopf- die Brise peitschte sein Haar, bis es ihm in den Augen klebte – griff er hektisch nach den Rudern im Wunsch, das Boot für Irene im Gleichgewicht zu halten – und es wäre ihm womöglich gelungen, hätte er nicht falschherum gesessen.
Wie auch immer, auf Anregung des Bootsverleihers setzte er sich andersherum, so daß er Irene ins Gesicht sah, die es irgendwie geschafft hatte, ins Boot zu klettern, ohne daß sich das Wasser auch nur kräuselte. Sie saßen praktisch Knie an Knie, eine Sitzordnung, die er sowohl als romantisch wie auch als nautisch höchst befriedigend empfand. »Erfrischend, nicht wahr?« sagte er und entblößte alle seine Zähne, und dann stieß sie der Bootsverleiher mit einem Bambusstecken ab, und sie waren draußen auf dem See und fuhren Boot.
Zunächst lief es gar nicht gut, überhaupt nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Er kämpfte mit den Rudern, die, seit sie den Steg verlassen hatten, grotesk lang geworden waren, schwere, lange, widerspenstige Prügel, die sich in der Tiefe des Wassers verloren, bis sie plötzlich und ohne Vorwarnung wieder auftauchten, um die arme Schwester Graves mit Schaum und Wasserpflanzen zu bespritzen. Und er schaffte es nicht, sie im Gleichklang zu benutzen – wenn er ein Ruder durchzog, trieb das andere auf der Wasseroberfläche, und wenn er sich anschließend um dieses kümmerte, schwang das Boot perverserweise in die andere Richtung, so daß ihm das erste Ruder aus der Hand gerissen wurde. Eine gute Viertelstunde lang fuhren sie im Kreis herum, bis Will dank Irenes hilfreichen Instruktionen den Dreh raus hatte. In der Zwischenzeit hatte der Wind sie hinausgetrieben, und das Ufer war nur noch eine ferne Erinnerung.
Aber Irene war keine Spielverderberin – das konnte er ihr wirklich nicht vorwerfen. Sie wirkte aufmerksam, zufrieden, voll tiefer, innerer Freude, die ihn mit Hoffnung erfüllte – war sie so glücklich, nur weil sie bei ihm war, lag es daran? –, und sie erzeigte sich geduldig ihm gegenüber, wenn er ab und zu einen Niesanfall erlitt, die Ruder fallen lassen und ein Taschentuch vor Mund und Nase halten mußte. »Sie wirken heute so glücklich«, sagte er, als die Ruder endlich Ruhe gaben und das Boot vor dem Wind trieb. »Glücklicher als sonst, meine ich – nicht, daß Sie sonst nicht glücklich sind oder nicht jeden Tag glücklich aussehen, ich meine nur, daß Sie heute, äh, also –« und er gab es achselzuckend auf. »Sie wissen, was ich meine.«
Sie lächelte ihn lange an; ihr Gesicht war ein vollkommenes Oval unter der Krempe des Huts, eine Haarsträhne hatte sich in einem Mundwinkel verfangen. »Ja«, sagte sie schließlich mit ihrer flüsternden Stimme und hing einen Seufzer der Zufriedenheit an. »Sie sind sehr aufmerksam, Mr. Lightbody – oder vielmehr Will. Es kommt mir absurd vor, so formell mit Ihnen zu sprechen. Sicher, Sie sind mein Patient – und werden es immer sein –, aber Sie sind auch mein Freund. So empfinde ich seit geraumer Zeit, und auf meinen Lippen mögen Sie Mr. Lightbody sein, aber in meinem Herzen« – sie senkte den Blick – »sind Sie
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