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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Will.«
    Er konnte nicht anders. Ihre Worte ließen sein Herz höher schlagen, und er wußte, daß er, solange er Irene hatte, nie wieder den Heidelberg-Gürtel oder Eleanors ermunternde Worte oder sonst irgend etwas brauchen würde. Das Boot schaukelte auf den Wellen. Ein Paar Gänse flogen mit einem kurzen, lauten Schrei knapp über der Wasseroberfläche an ihnen vorbei und landeten in einer Fontäne von Sprühwasser. »Es ist sehr nett von Ihnen, daß Sie das sagen, Irene – es bedeutet mir schrecklich viel«, sagte er, und er spürte sein Herz schlagen. Das war er, der Augenblick, auf den er gewartet hatte. »Sie sind ganz reizend, wirklich, und Sie wissen, was ich für Sie empfinde, wie ich von Anfang an für Sie empfunden habe –«
    Sie schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. Ihre Knie berührten sich. Der Wind spielte mit ihrem Haar. Ihre Augen strahlten. Er erinnerte sich an den Tag, als sie sich wegen Dr. Kellogg und seiner Methoden gestritten hatten, und an den Blick der Verehrung und der Hingabe, der sofort in ihre Augen getreten war, als er nur den Namen des Mannes erwähnt hatte. Jetzt sah sie genauso aus, aber diesmal war nicht Dr. Kellogg der Grund, o nein – aber würde sie das San verlassen, könnte er sie je davon überzeugen? Daran hatte er noch nicht gedacht, das konnte ein ernsthafter Hinderungsgrund sein, und doch wußte er, daß er sie für sich gewinnen würde, er wußte es Aber was sagte sie da?
    »Ich wollte, daß Sie es als erster erfahren.«
    Die Wellen schlugen gegen den Bug. Will spürte, wie ihm das Herz in die Hose sank. »Was erfahren?«
    Sie wartete einen Moment, und da waren die Sonne, die Brise, die Pracht des Himmels, der nur existierte, um sie einzurahmen, um sie hervorzuheben, sie in all ihrer fülligen, reifen Schönheit und in der Einmaligkeit des Augenblicks einzuhüllen. »Ich werde heiraten.«
    »Heiraten?« Das Wort platzte heraus, ein kaum geformter verbaler Rülpser, der sich verselbständigt hatte. »Wie meinen Sie das?« fragte er töricht.
    Sie hielt jetzt einen Finger hoch, den Ringfinger ihrer linken Hand, und er sah einen Ring dort, einen schmalen Reif mit einem kleinen Stein, der so winzig war, daß er genausogut nicht hätte dasein können – wie hatte er ihn nur übersehen können? Wie hatte er sich nur so täuschen können? Wie hatte er nur so dumm sein können? So mit sich selbst beschäftigt? Plötzlich, mit einem Schlag, sah er alles vor sich, so deutlich, als hätte man es ihm aufgezeichnet: den Freund aus Kindertagen, den Bauerntölpel, den Einfaltspinsel, Hühner, die im Hof scharrten, ihre Brüste, schwer mit Milch, die Füße breit, die Figur ruiniert, das Gesicht voller Falten und Runzeln und Furchen, bis es aussah wie eine getrocknete Schlammpfütze … Wie hatte er nur so blind sein können?
    Das Spitzen der Lippen, die kleine Schnute. »Er heißt Tommy Reardon.«
    Will brachte kein Wort heraus. Tommy Reardon. Was hatte er sich nur dabei gedacht, was stimmte nicht mit ihm? Sie würde heiraten. Heiraten. Und er hatte nie auch nur vermutet, nie auch nur daran gedacht, daß sie ein Leben außerhalb des San hatte … oh, die Vergeblichkeit, die Vergeblichkeit.
    Das Boot schaukelte, der Wind wehte. Und was ist mit mir, wollte er schreien, was ist mit Peterskill und meinem Vater und meinem Magen und mit Dick, dem Drahthaarterrier? Sie kannte keine Gnade, so war sie, sie verschwendete keinen Gedanken an ihn, hatte von Anfang an mit ihm gespielt. Er starrte sie voller Bitterkeit an. Wer war sie überhaupt? Ein dummes Bauernmädchen mit zu breiten Hüften und zu großem Busen, eine Frau, die den kleinen Scharlatan verehrte, der sein Leben zerstört hatte – und was sagte das über sie aus? Sie war eine getreue Jüngerin, eine Wiederkäuerin, eine Krankenschwester. Aber er hatte sie geliebt, das hatte er – oh, und wie er sie geliebt hatte –, und Schmerz und Bitternis wüteten in ihm. Er bedeckte sein Gesicht mit dem Taschentuch.
    »Will?« sagte sie leise, und er haßte den Klang seines Namens auf ihren Lippen – warum nannte sie ihn nicht Mr. Lightbody? War er etwa kein zahlender Patient? »Will? Wollen Sie mir nicht Glück wünschen?«
    . Die Frage schien über ihm zu schweben, so groß und aufgeblasen wie ein Ballon, und sie bekam nie eine Antwort darauf. Plötzlich fiel ihm Eleanor ein, Eleanor und ihr Quacksalber, Badger, Virginia Cranehill und all die anderen, eingeweiht in Nudismus, freie Liebe, vegetarische Ekstase, und Panik erfaßte

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