Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
daß sowohl die Gräfin Tetranova als auch Mrs. Solomon Teitelbaum mit von der Partie sein sollten, so wie bei dem weihnachtlichen Ausflug zum Haus der Graves, und das nahm ihm den Wind aus den Segeln – oder vielmehr die Ruder aus den Händen. Die Nachricht- Irene teilte sie ihm beiläufig mit, als sie seine Bettwäsche wechselte – deprimierte ihn. Zutiefst. An der ganzen Angelegenheit war nichts Besonderes, überhaupt nichts Romantisches – Romantik existierte nur in seinem Kopf. Für Irene war es nichts weiter als ein gutes Werk, die Erfüllung einer Pflicht, lediglich ein weiterer therapeutischer Ausflug mit einer bedauernswerten Gruppe von Eingeschlossenen und Autointoxikierten, nichts weiter. Verletzt, betroffen, bis ins Innerste beleidigt, brütete Will einen ganzen langen Nachmittag über seiner Enttäuschung, über den Ruinen seines Planes. Merkte sie denn nicht, was er nach dieser langen Zeit für sie empfand? War sie blind? Zimperlich? Oder schüchtern?
    Was immer es war, Will gab nicht so leicht auf. Bis zum Abendessen hatte er bereits mit Mrs. Teitelbaum gesprochen. Er traf sie, bleich wie ein geschältes Ei, im Palmengarten an, in einen Roman vertieft und darum bemüht, sich in den Klauen eines orthopädischen Stuhls zu entspannen. Er gestattete sich annähernd hundertzwanzig Sekunden oberflächliches Geplauder, dann stürzte er sich in eine Diskussion über den Insektenreichtum in der Gegend um den Goguac Lake. Sie hatten gerade über Mrs. Tindermarsh und ihre ausdrucksstarke Verkörperung des Mannes in dem Drama Das verhängnisvolle Mittagessen gesprochen, als Will das Thema wechselte. »Sie wurde während der Proben gestochen, wissen Sie«, sagte er.
    »Gestochen?« Mrs. Teitelbaum blickte verwirrt drein.
    »O ja«, versicherte ihr Will und schüttelte den Kopf. »Genau unter dem Ohr – der Stich ist so angeschwollen, daß man fürchtet, daß sie nicht weitermachen kann. Eine dieser scheußlichen Stechfliegen vom Goguac Lake – Grünköpfe, glaube ich, nennt man sie hier. Wie ich gehört habe, gibt es sie zu dieser Jahreszeit massenhaft dort draußen, ganze Wolken davon, so daß man das Wasser kaum mehr sieht.«
    Bei der Gräfin entschied er sich für ein unumwundenes Vorgehen. »Ich will mit ihr allein sein«, sagte er.
    Sie standen im Flur vor dem Damenschwitzbad, ab und zu schlich träge eine Patientin vorbei, leise zischender Dampf war im Hintergrund zu hören. Die Gräfin zog eine Augenbraue in die Höhe. Will sah das Samenkorn des Klatsches in ihren Augen aufgehen – am Sonntag wüßte es das ganze Sanatorium. Aber was machte ihm das schon aus? Er wäre bereits fort, und er würde nicht zurückblicken. Nicht ein einziges Mal.
    »Mit Ihrer Krankenschwester?«
    Er wollte das Thema nicht vertiefen, und deshalb bedachte er sie mit einem, wie er hoffte, verwegenen Blick. »Ein Mann hat seine Bedürfnisse«, sagte er.
    Aus ihrem porzellanenen Puppengesicht äugte sie zu ihm herauf. »Vor allem wenn seine Frau so krank ist, hab’ ich recht? Aber Sie müssen sich dagegen wirklich gut erholt haben … Will«, schnurrte sie und legte eine winzige Hand auf seinen Arm.
    Sein Instinkt riet ihm, ihr den Arm zu entziehen, aber er kämpfte dagegen an. Er war ein Liebhaber, ein Frauen verführender Lothario, ein Mann von Welt. Er grinste sie lüstern an.
    »Aha, ich verstehe«, sagte sie schließlich und drückte seinen Arm. »Wissen Sie, mir ist gerade eingefallen – ich habe Amelia Hookstratten versprochen, ihr bei der Vorbereitung ihres Mittagessens zu helfen. Ich muß wirklich etwas gegen mein schlechtes Gedächtnis tun … Nicht wahr, Will?«
     
    Es war ein perfekter Tag, der Himmel hoch gewölbt und strahlend blau, ohne Wolken, die die Sonne filterten, und es war heiß, aber nicht drückend. Es wehte eine Brise – Wills Strohhut segelte von seinem Kopf und über die Wiese, kaum trat er aus der Tür, um in den Wagen zu steigen, den Irene für sie organisiert hatte –, und das war potentiell beunruhigend, aber man konnte schließlich nicht alles haben, oder? Ein Page des San holte den Hut, und Will hielt ihn mit einer Hand auf seinem Kopf fest, während er Irene beim Einsteigen in das Automobil behilflich war – es handelte sich um einen italienischen Zust, gestiftet von einem Gönner des San –, das unglücklicherweise allen Elementen offen stand. Es war ein Kampf. Den ganzen Weg hinaus zum See konnte Will den Hut nicht loslassen, und die diesbezügliche Sorge verhinderte, daß er sich

Weitere Kostenlose Bücher