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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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war Murphy? Und wer hatte sie aus ihrem Käfig befreit? Die Frage beantwortete sich im nächsten Augenblick von selbst, als die watschelnde, schlaksige, hängeköpfige Gestalt von Lillian, der Schimpansin, neben der Wölfin auf dem Flur erschien: George. Er war dort drin. Im Tierlabor. Er hatte sie freigelassen.
    »Lillian!« brüllte der Doktor im Befehlston, »böses Mädchen, zurück in den Käfig!« Und er näherte sich den Tieren mit ausgestreckten Armen, um sie zurückzudrängen. Beim Klang seiner Stimme hob die Schimpansin den Kopf, aber dann stützte sie sich mit den Fingerknöcheln auf dem Boden ab und entblößte die Zähne. »Iiiiii-iiiii!« kreischte sie trotzig, und bei diesem Laut, gemein und unverschämt, begann die Wölfin lauter zu knurren.
    »Platz, Fauna!« befahl der Doktor, und er rauschte den Flur entlang mit aufblitzenden Brillengläsern, versessen nur auf eines – die offene Tür und den Verursacher all dieses Unheils und Elends, der irgendwo dahinter lauerte. Aber Fauna duckte sich nicht. Das Knurren in ihrer Kehle wurde kräftiger, als ob sie sich selbst strangulierte, und sie spannte die Muskeln an, um zu springen. »Platz!« brüllte der Doktor, warf die Hände hoch über den Kopf – kein Tier würde ihm Angst einjagen – und stürmte auf sie los.
    Dennoch empfand er es als große Enttäuschung, als Fauna sich in sein rechtes Bein verbiß, in seine Kniekehle, mit einem Biß, so wild und unerwartet wie der Tod – was hatte er ihr angetan? –, und gleichzeitig Lillian, die Schimpansin, sich auf seinen Hals stürzte mit einem Paar ledriger, langfingriger Hände, die John L. Sullivans Fäuste mit der gleichen Leichtigkeit zermalmt hätten, wie sie eine Nuß hätten aufbrechen können. Es war ein schlimmer Augenblick, einer der absolut entmutigendsten Augenblicke im Leben des guten Doktors. Was hatte er getan, um das zu verdienen? fragte er sich, zu Boden gedrückt von dem vereinten Gewicht von Schimpansin und Wölfin, wie konnte ihn George nur so unversöhnlich und bedingungslos hassen, und diese Tiere – schätzten sie ihn denn überhaupt nicht? Er wälzte sich instinktiv hin und her, spürte, wie die Schneidezähne nachgaben und sich wieder in sein Fleisch gruben, registrierte, daß sich die italienischen Kacheln kalt und naß anfühlten, als ihm sein nach Scheiße stinkendes Jackett, sein Hemd und Unterhemd vom Leib gerissen wurden, als wären sie aus Sackleinen, und zum erstenmal in seinem physiologischen Leben wollte ihn die Zuversicht verlassen.
    Vielleicht, dachte er, als er sich unter dem Ansturm der zuschlagenden ledrigen Fäuste zusammenkauerte und nahezu beiläufig unter dem Biß der suchenden Zähne das Bein verdrehte, vielleicht habe ich mich geirrt, vielleicht war mein gesamtes Leben Lug und Trug. Dann sah er die ganze Arena an sich vorbeiziehen, die Kirchenältesten und Schwester White, die zweiundvierzig Waisenkinder, die zahllosen Gesichter seiner zahllosen Patienten und die offenen, blutenden Münder der Wunden, die er ihnen beigebracht hatte, er sah George, Charlie Ossining, die Lightbodys. Vielleicht war ich zu unbeirrbar, dachte er, zu selbstsicher, zu sehr mein eigenes Licht und Leuchtfeuer, und dieser Gedanke schmerzte ihn mehr, als es Zähne und Fäuste und der abtrünnige Sohn je vermocht hätten. Er schmerzte ihn so sehr, daß er fast aufgab. In ihm erhob sich eine Stimme und sagte: Und so soll es sein: Sollen sie mich zerfleischen, sollen sie mir den Brustkorb zerquetschen, sollen sie mich sterben lassen.
    Aber dann, im Zenit dieses dunklen, einsamen Augenblicks, dieses Augenblicks der Verzweiflung und der Todesnähe, erinnerte er sich an den springenden und entscheidenden Punkt: Er war kein gewöhnlicher Mensch. Er war ein Mensch mit einer Mission, ein Mensch, so stark wie hundert andere zusammen, tausend sogar- er war John Harvey Kellogg. Dieses Wissen verlieh ihm neue Kraft, und er entriß das gequälte Bein dem Biß der Wölfin, und die Wölfin schloß in der Hitze des Gefechts die Kiefer über den zarten, matt schimmernden ebenholzfarbenen Zehen der Schimpansin. Mehr war nicht nötig. Lillian stieß eine kreischende Verwünschung aus und stürzte sich auf die Wölfin, als hätte man sie in Brand gesteckt, einen sehnigen, lianenartigen Arm bereits in ihren Hals gerammt, den anderen über Faunas Augen gekrallt, und die zwei Tiere wälzten sich den Korridor entlang, bissen und kratzten, bellten, kreischten, quiekten und jaulten.
    Der Doktor schüttelte sich

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