Willkommen in Wellville
die letzte verdorbene Faser schwach, schwach, schwach – und zudem betrunken, dußlig vom Alkohol –, und er war über den knapp einen Meter langen Hebel gestolpert, der am Boden des Bottichs hervorstand, den Hebel, der die großen Mischblätter in Bewegung setzte und die steinharten Nußkerne zermalmte, bis sie ihre Essenz preisgaben. An der Art, wie George seinen Knöchel hielt, an dem Winkel, in welchem der Fuß vom Unterschenkel abstand, erkannte der Doktor, daß er gebrochen war, schlimm gebrochen. Georges Atem ging flach und keuchend, und der Schmerz vernebelte seine Augen. Er verkroch sich in den Schatten unter dem Bottich.
Dr. Kellogg zögerte nicht einen Augenblick – die Sache war zu weit fortgeschritten, es gab kein Zurück, jetzt nicht mehr. Mit einem einzigen gewaltigen Satz war er bei ihm, beugte sich hinab und zog den Jungen auf die Beine, ignorierte seinen Schmerzensschrei, als er den gebrochenen Knöchel belastete und mit dem heilen Fuß gegen die unnachgiebige Wand des Bottichs stolperte. Der Doktor schlug ihn ins Gesicht, wieder und wieder, das verkniffene, arrogante Gesicht schrumpfte zu einem Nichts, der flache Kopf schwankte willenlos auf den Schultern, und er dachte nicht ein einziges Mal an die weit zurückliegende Nacht im Flur, zweifelte keine Sekunde an sich. Er rammte das Rückgrat des Jungen gegen den harten, unbarmherzigen Kesselrand, er wollte ihm weh tun, nur das, austeilen, wie er eingesteckt hatte, und er schlug ihn, bis seine Hand fühllos wurde und der ranzige Gossengestank des Jungen verdrängt wurde von den gehaltvollen Ausdünstungen der Makadamiabutter.
Tausend Pfund davon, eine halbe Tonne, geschmeidig, nahrhaft und wohlschmeckend, genug, um drei Viertel der Mägen in Battle Creek zu stärken, warteten nur darauf, in Gläser abgefüllt zu werden. Ein Meer reinen goldfarbenen Öls schwamm obendrauf, glitzerte verheißungsvoll im Dämmerlicht, das durch die Tür fiel, zitterte und wogte unter dem ozeanischen Ansturm der Wut des kleinen Doktors, der vor George aufragte und wieder und wieder auf ihn eindrosch. Und dann geschah etwas Merkwürdiges. George wollte den Schlägen des Doktors ausweichen und krümmte sich in der Hüfte, und weil der Schmerz in seinem Knöchel wütete und er sich mühte, ihn nicht zu belasten, verlor er das Gleichgewicht und stürzte nach vorn auf den Bottich zu. Zuerst tauchte nur sein rechter Arm hinein, und er zog ihn sofort wieder heraus, Hand, Handgelenk und Unterarm glänzten ölig, das Hemd war verschmiert bis zur Schulter, aber der Doktor war jetzt inspiriert, und ohne zu zaudern zwang er den Jungen zurück in die duftende, schwappende, schmierige Brühe, taufte ihn, reinigte ihn, preßte den Kopf des Jungen nach unten, drückte ihn hinein mit jeder Unze wütender physiologischer Kraft, die er aktivieren konnte, auch dann noch, als George nach Luft kreischend wieder auftauchte und erneut in die ölige Suppe zurückfiel.
Der Doktor drückte George nach unten, bis er aufhörte, sich zu wehren. Und am Schluß wurde sein Griff nahezu zärtlich, und er erinnerte sich daran, wie er den Jungen, als er vor langer Zeit zu ihnen gekommen war, in der großen, glänzenden Badewanne aus Porzellan gewaschen hatte, mit Seife und Waschlappen gegen den Schmutz angekämpft hatte, den Sohn gewaschen und eingerieben hatte, der George nie sein konnte. Zuinnerst war er unendlich traurig. Aber George war ein Experiment gewesen, das nicht funktioniert hatte, und das war keine Schande, nicht für einen Mann der Wissenschaft. Wenn ein Experiment fehlschlug, mußte man das nächste machen und dann das übernächste, und immer weiter und weiter hinein in das leuchtende Universum von Entdeckung und Offenbarung, das sich schimmernd erstreckte bis zu den Füßen Gottes. George war schwach. Ein Irrtum der Natur. Er hätte nie das Licht der Welt erblicken, nie einen Atemzug tun dürfen, es hätte ihm nie gestattet werden dürfen, die Summe des menschlichen Elends und der Verderbtheit zu vergrößern, die die Rasse unaufhaltsam in den Abgrund trieben.
Dr. Kellogg richtete sich auf. Liebevoll, mit intimen Handgriffen und erlesener physiologischer Anmut drückte er das schlaffe, leblose Fleisch des Jungen an sich und hob zuerst das eine Bein über den Kesselrand, dann das zweite. Und dann ließ er ihn los, ließ ihn davontreiben, mit dem Gesicht nach unten, glitzernd im wertvollen Öl. Es war eine schwierige Aufgabe, die schwierigste, die er in seinem Leben vollbracht
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