Willkommen in Wellville
und sprang prompt auf die Beine. Anzug und Unterwäsche waren oberhalb der Hüfte zerfetzt und hingen herunter, als wäre er eine riesige, zur Hälfte geschälte Banane, das rechte Hosenbein war perforiert und blutgetränkt. Er zuckte zusammen, als er sein Gewicht auf das von der Wölfin angenagte Bein verlagerte, und dann hoppelte er steif über den Flur und beugte sich hinunter, um die zwei Lichtkreise aufzuheben, die seine Brille waren. Er wischte sie an einem der Wäschefetzen ab, die von seiner Hüfte hingen wie das Röckchen einer Hulatänzerin, und bog dann das Drahtgestell hinter seinen Ohren in Form. Anschließend richtete er sich auf und überblickte das Schlachtfeld, entschlossener denn je, den Verursacher dieser anarchischen Zustände zu stellen und seiner gerechten Strafe zuzuführen.
Über ihm: Rufe, Schreie, Schieben, Stoßen, hektische Aktivität. Am Ende des Gangs: zwei Tiere, die sich noch immer ineinander verkrallten, gegen Wände rempelten und stießen wie zwei lebende Kaminvorleger. Hinter ihm: der Fäkaliengestank des verwüsteten Labors und ein Kachelboden, besudelt mit den nicht entzifferbaren Botschaften der geschändeten Proben. Und direkt vor ihm? Die Tür zum Tierlabor stand weit offen – George mußte noch immer dort drin sein, Aquarien zerschmettern, für Experimente bestimmte Ratten, Kröten, Eidechsen befreien, versunken in einem obszönen Kindheitstraum, in dem er das Spielzeug seiner Geschwister zerstörte. Nun, soll er doch, murmelte der Doktor in seinen Bart, und auf lautlosen Füßen näherte er sich der Tür.
Geräuschlos, vorsichtig pirschte er sich an seine Beute heran mit der wild entschlossenen, absoluten Konzentration des Pygmäen mit dem Blasrohr oder des Aborigine mit dem Bumerang. Dr. Kellogg preßte sich an die Wand und riskierte einen Blick durch die Tür. Das Labor war unverändert. Das Licht war an, immerhin etwas, aber alles andere war, wie es sein sollte. Es roch schwach nach dem Urin von Nagetieren – so schwach, daß nur der Doktor mit seiner hypersensitiven Nase den Geruch wahrnehmen konnte, und sogar noch in dieser Notsituation nahm er sich vor, Murphy dazu anzuhalten, den Unrat auszumisten –, und die Käfige standen wie gewöhnlich in den Regalen. Er hörte das gedämpfte Kratzen und Scharren winziger Füße und nackter Schwänze, und er horchte angestrengt, horchte auf den versehentlichen Schritt, das Quietschen von Scharnieren, das Geräusch zerbrechenden Glases. Und dann war auf einmal eine Hand auf seinem Gesicht, Georges Hand, die an seiner Brille zerrte, ihm die Augen einzudrücken versuchte, in Lippen und Nase kniff, und George wirbelte vor ihm auf den Flur. »Nun, Pater«, höhnte er und erhob die Stimme, so daß sie über dem gotteslästerlichen Lärm, den Fauna und Lillian veranstalteten, zu hören war, »und wie gefällt dir das physiologische Leben jetzt? Stinkt nach Scheiße, was?«
Obwohl seine Brille schief saß und sein Bein steif zu werden begann, stürzte der Doktor sich auf ihn, aber George wich ihm aus, entfernte sich unter irrem Gelächter mühelos aus seiner Reichweite. »Fang mich, wenn du kannst«, spottete er und floh den Flur entlang, an der struppigen Wölfin und der kreischenden Schimpansin vorbei, und dann verschwand er in der Experimentierküche, so wie es Lillian einst vor ihm getan hatte. Der Doktor folgte ihm, langsamer jetzt wegen des Beines – das Knie schien sich nicht mehr beugen zu wollen –, aber deswegen nur um so grimmiger und verbissener. Diese Schlacht mußte ausgefochten werden.
Und hier, endlich, neigte sich die Waage zu seinen Gunsten.
Als er durch die Tür in den dunklen Raum trat, das Bein hinter sich herziehend, sah er George auf dem Boden kauern, unter dem Bottich mit Nußbutter. Er hielt seinen Knöchel umklammert und winselte, derselbe verhaßte, unversöhnliche Junge, den er im Rübenkeller gefunden hatte, der Junge, der seine Jacke nicht an den Haken hängen wollte, der seine jüngeren Geschwister quälte, Feuer legte und sich weigerte, seine Adoptiveltern mit dem Respekt – und der Dankbarkeit – zu behandeln, die sie verdienten. Der Junge, den man nicht berühren konnte. Der Junge, der nur lebte, um alles, wofür John Harvey Kellogg stand, zu widerlegen und herabzuwürdigen. Er hatte sich verletzt. Er winselte. Hielt seinen Knöchel umklammert.
Auf einen Blick sah der Doktor, daß es vorbei war. George war in den Raum gehastet, Zerstörung im Sinn, aber schwach, in seinem Wesen und bis in
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