Willkommen in Wellville
aller Altersklassen und von jeglicher Konstitution nahmen gleichzeitig daran teil, während der Cheftherapeut – ein Schwede mit vorstehender Stirn und riesigen, klotzigen, hackbratenförmigen Muskeln – sie antrieb. Zu den Lachübungen, nicht nur dazu erdacht, um die Stimmung des Patienten zu verbessern, sondern auch um ihm zu gestatten, tiefer und natürlicher zu atmen, versammelte sich dieselbe Gruppe in derselben Turnhalle, um zwei als Neger geschminkte Mimen dabei zu beobachten, wie sie auf den Hintern fielen, während der untersetzte Tenor Tiepolo Cappucini sie eine qualvolle Stunde lang im opernhaften Lachen anleitete. Entschlackt, halb verhungert und desorientiert, die Gliedmaßen taub von den Schwedischen Bewegungen und die Eingeweide bleiern dank der Algen, fand Will das Ganze nicht besonders komisch.
Aber er tollte herum, lief hin und her, schüttelte die mageren Hinterbacken zusammen mit seinen Leidensgenossen, mit den alten Männern in Hosenträgern, mit den Fettleibigen und den Ausgemergelten, den scheinbar Gesunden und den sichtlich Klapprigen, und bevor er es so recht merkte, lachte er hemmungslos, verzweifelt, ohne Sinn und Verstand, lachte wie ein Irrer, der an den Stäben seines Käfigs rüttelt.
Die anschließende Vibrotherapie war nahezu eine Erleichterung. Dabei handele es sich, erklärte der Therapeut Will und einer Splittergruppe von einem halben Dutzend ebenso wie er von der Anstrengung des Lachens erschöpfter Männer, um eine passive Übung. Es ging darum, daß man auf einem Stuhl oder Hocker saß oder auf einem Tisch lag, die mit einem elektrischen Motor ausgestattet waren. Der Motor sorgte dafür, daß die ganze Vorrichtung erbebte, rüttelte und ruckelte wie ein Einspänner mit kaputter Federung, der eine wie ein Waschbrett geriffelte Straße entlangrumpelt. Will hörte einen kurzen Vortrag über die drei Formen der Vibration – perkutorisch, lateral und zentrifugal – und erfuhr, daß laut Vigoroux, Granville, Schiff und Boudet die Behandlung je nach Fall entweder die nervliche Empfindsamkeit steigerte oder dämpfte. Danach wurde er auf einen Stuhl geschnallt, der an eine eiserne Platte geschraubt war, und die nächste Dreiviertelstunde durchgeschüttelt wie ein weihnachtlicher Eierflip. Und das wäre eigentlich gar nicht so schlimm gewesen, wäre nicht der Mann auf dem Stuhl direkt hinter seinem gewesen, ein Ächzer und Zähneknirscher erster Güte, der ständig mit seinem Hinterkopf gegen die Kopfstütze von Wills Stuhl schlug. Oder der Mann zu seiner Linken, der unablässig mit hoher, klonischer, qietschender Stimme irgendeinen Unsinn über die Wechselfälle des Aktienmarktes von sich gab. Kaum hatte er das hinter sich, lernte Will die speziellen Vibratoren für Hände, Arme und Füße kennen sowie den vibrierenden Hocker, den vibrierenden Tisch und das vibrierende Bett. Als er die Vibrotherapie-Abteilung verließ, vibrierten auch Wände, Vorhänge und Lampen, und er mußte gut fünf Minuten mit Schwester Graves im Korridor auf und ab gehen, bis der Boden unter seinen Füßen zu beben aufhörte.
Bevor er wie ein Neugeborenes eingewickelt und von Schwester Graves auf den eiskalten Steinplatten der Veranda abgestellt wurde, war die letzte Station an diesem Vormittag die Elektrische Abteilung. Hier wurden die Patienten unterschiedlich starken Elektroschocks ausgesetzt, um die Leistung bestimmter Nerven- und Muskelgruppen entweder zu stimulieren oder herabzusetzen – natürlich entsprechend der vorliegenden Symptome und Bedürfnisse. Wills Programm bestand aus dem Heißen Handschuh und einer halben Stunde Sinusbad. Er war auf beides nicht besonders scharf. Zum einen war er, nachdem er für diesen einen Tag genug körperlichen Mißbrauch mit sich hatte treiben lassen, griesgrämig und müde. Zum anderen mißfiel ihm das Geräusch, das die erste Apparatur – der Heiße Handschuh – machte, und seit jeher hegte er eine Aversion gegen öffentliche Schwimmbäder; das viele entblößte Fleisch; affenähnliche Männer mit behaarten Schultern und Haarbüscheln auf Oberschenkeln, Waden und zwischen den Zehen, Frauen, die in ihren schlappen Badeanzügen wie zerquetschte Melonen aussahen. Während er um Eleanor warb und während der ersten Jahre ihrer Ehe hatten sie beide an jenen glühendheißen, ewig blauen Juli- und Augusttagen im Hudson gebadet, aber es war ihnen stets gelungen, ein Plätzchen für sich allein zu finden, auf dem Anwesen der Brinckerhoff oder dem seines Vaters oder in
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