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Willkür

Willkür

Titel: Willkür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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im Schoß und machte ein strenges Gesicht: »Wir bezeichnen sie nicht als Schließer, es sind — «
    »Schließer ist Schließer«, stieß Rossiter aus, im selben Moment erschrocken über seine Eigenmächtigkeit. Sogleich fiel ihm Eileen ins Wort. »Wann können wir ihn sehen?«
    »Morgen Vormittag, falls Ihnen das passt.«
    Ross passte es nicht, also fuhr Eileen am nächsten Morgen allein mit dem VW los. Das Bolte Untersuchungsgefängnis lag westlich der Stadt, inmitten einer begrünten Ebene und in unmittelbarer Nachbarschaft von erschlossenem Bauland, auf dem zwischen Reklametafeln, sich schlängelndem jungfräulichem Asphalt und nicht enden wollenden Bändern neuer Randsteine leer stehende Häuser wie Pilze aus dem Boden schossen. Doch es gab durchaus bewohnte Grundstücke mit Wäschespinnen hinter den Häusern, Autos in Garagen oder Dreirädern auf Rasenflächen. Eileen vermutete, dass man etwas zu sagen haben musste, wenn man in der Nähe eines Gefängnisses wohnte.
    Als Erstes sah sie den Stacheldraht, der oben am Sicherheitszaun angebracht war und dessen Glitzern in der Sonne ihr beinahe boshaft erschien. Sie passierte mehrere Innenzäune, schwere Tore und dann lagen die flachen Gebäude vor ihr, mit Wellblech gedeckt und mit Gittern vor den Fenstern. Alles war neu, überall gab es nur Metall, kein Holz, geschweige denn nennenswerte Grünanlagen. Doch was sie wirklich abstieß, war der Stacheldraht; sie konnte buchstäblich spüren, wie er sich um ihren Körper schlang und in ihre Haut stach. Schier endlos wickelte er sich oben um alle Zäune und wand sich zu Füßen der Gebäude, als habe jemand die Büchse der Pandora geöffnet. Es kostete sie achtundvierzig Minuten, um in den Besucherraum zu gelangen. In der Anstalt selbst reihte sich eine Tür an die Nächste, alle massiv und mehrfach gesichert. Dann ein Heer von Schließern: Es gab Schließer, die Besucher begleiteten, Schließer, die Summer betätigten, Schließer, die in Handtaschen herumschnüffelten, die Besucher abtasteten und mit Metalldetektoren an ihnen entlangfuhren. Alle wirkten sie mehr tot als lebendig, gleichzeitig aber verschlagen und gefährlich. Sie waren übergewichtig, und wenn sie sprachen, dann mit englischem Zungenschlag. Einer von ihnen strich gelangweilt mit dem Metalldetektor über den Messingstutzen eines Feuerlöschschlauches und der durchdringende Alarmton raubte Eileen den letzten Nerv. Er wiederholte es insgesamt zehnmal, während Eileen darauf wartete, in den Besucherraum gelassen zu werden. Jede Menge Leute warteten ebenfalls, und aus einem unerfindlichen Grund schien sie dieser Marterton nicht im Geringsten zu stören.
    Endlich drinnen, setzte sie sich an einen der Plastiktische; Plastik, ein Material, mit dem man nur schwer jemandem den Schädel einschlagen konnte. Ehefrauen, Freundinnen, ganze Familien bevölkerten den Besucherraum. Forschen Schrittes, einen verächtlichen Zug um die Lippen, so betrat Niall den Raum. Doch als er seine Mutter sah, bekam die Fassade Risse und Eileen erkannte die Angst dahinter. In Bolte waren einige von seiner Sorte, eine Bruderschaft von Skinheads, was Eileen hoffen ließ, dass es Leute gab, die ihn beschützten. Dennoch, es blieben Zweifel, schließlich war er gerade mal einundzwanzig. Wie die meisten Insassen trug Niall Shorts, blaue Stutzen, Arbeitsschuhe und einen braunen Blouson. Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss. »Hallo, mein Junge.«
    »Nett, dass wenigstens du hier auftauchst. Mein alter Herr konnte sich wohl nicht aufraffen.«
    »Er beruhigt sich schon wieder.«
    »Scheint ’n lausiges Gedächtnis zu haben. So oft wie der im Knast gesessen hat — «
    »Trotzdem könntest du versuchen, ihn zu verstehen, Junge. Was hat dich nur geritten, mit dieser Armbrust herumzufuchteln?«
    »Der Scheißkanake hat’s nicht anders gewollt.«
    Eileen gab es auf. »Eigentlich hätten sie dich auf Kaution rauslassen müssen.«
    Niall verzog das Gesicht. »Ich steh das nicht durch, Mum. Nicht noch einmal.« Er packte ihren Arm und flüsterte: »Können wir nicht Wyatt ans Messer liefern? Ich meine, der Alte muss das doch nicht mitkriegen. Scheiße, Wyatt ist so viel wert wie wir alle hier zusammen und die Hälfte der Knackis in Pentridge dazu.«
    Eileen griff nach seiner Hand. Auch sie hatte schon mit diesem Gedanken gespielt.
    »Er plant doch wieder einen Coup«, fuhr Niall fort. »Der ist nicht nur vorbeigekommen, um sich zu entschuldigen und über alte Zeiten zu labern.«
    Eileen war

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