Willkür
die Hose scheißen. Zurück zum Schließfach mit den Diamanten kann er nicht, denn er muss damit rechnen, dass andere dazwischengefunkt haben und er womöglich von einem tobenden Ausländer erwartet wird. Er will sein Geld vom Syndikat, logisch, aber er kann nicht einschätzen, ob die ihn nun verarschen wollen oder ob Dritte ihre Finger im Spiel haben. Letzteres treibt ihm natürlich den Schweiß auf die Stirn, schließlich könnten die vom Syndikat ihm das anhängen.«
Jardine hatte alles gesagt, überflüssiges Gerede war seine Sache nicht und das kam Wyatt sehr entgegen. Schweigend fuhren sie zurück ins Dorset. Wyatt stellte sich vor, wie das Telefonat zwischen dem Diamentenkäufer und dem Syndikat ablaufen würde. Er dachte an die nunmehr vergiftete Geschäftsbeziehung und an die hunderttausend Dollar, deren Verlust das Syndikat jetzt verschmerzen musste. Er dachte auch an die nächsten Schläge, die er für diese Truppe vorgesehen hatte.
NEUNZEHN
Seltsamerweise war Max Henekers Gattin stolz auf die ungewöhnliche Tätigkeit ihres Mannes. Die Woche über war er zu Hause in Palm Beach, spekulierte ein bisschen an der Börse, kümmerte sich um den Garten und unternahm gemeinsam mit ihr ausgedehnte Strandspaziergänge. Sie nannte das ›Eheleben de Luxe‹ und hatte deshalb nichts dagegen, dass er jedes Wochenende wegfliegen musste. »Max ist ein Troubleshooter«, erklärte sie ihren Freundinnen. »Während der Woche sind Firmencomputer nun mal im Dauereinsatz, also muss er an den Wochenenden hin, um die Systeme auf Viren, Hackerangriffe, Missbrauch etc. pp. zu überprüfen.« Ihre Freundinnen waren neidisch. Sie hatten Ehemänner, die ihnen am Wochenende im Wege standen und die restliche Zeit über unzugänglich oder übellaunig waren.
Die Geschichte hingegen, die Max seiner Frau auftischte, entsprach nicht einmal annähernd der Wahrheit. Ja, er arbeitete ausschließlich am Wochenende, jedoch musste er dafür nirgendwohin fliegen, und seine Computerkenntnisse gestatteten ihm gerade mal eine simple Buchführung auf seinem Toshiba-Laptop. Tatsächlich führten ihn seine Wege nicht weiter als in eine im ersten Stock eines Hotels in Kings Cross gelegene Suite und seine Tätigkeit bezeichnete man in Polizeikreisen als die eines Zwischenhändlers.
Und das Ganze lief folgendermaßen ab:
Während sich die Drogenfahnder nahezu überschlugen, wenn ein Flieger aus Südostasien oder Südamerika landete, erreichte hochwertiges Kokain Australien fernab der großen Flughäfen, und zwar per Schiff oder in kleinen Transportflugzeugen, die ihre Fracht an abgelegenen Stränden und auf verlassenen Flugfeldern im Norden Australiens löschten. Noch vor Ort wurde der Stoff abgewogen, bezahlt und in allen nur denkbaren Zwischenräumen staubiger Wohnmobile auf die Reise Richtung Süden geschickt. Die Fahrer dieser Wohnmobile, zumeist Leute im Rentenalter oder nur unwesentlich jünger, wurden niemals herausgewunken, niemals kontrolliert. Wohnmobile gondelten gemütlich durch die Gegend und kein Cop käme auf die Idee, unschuldige ältere Mitbürger zu schikanieren, die nur ihren Lebensabend und ihre inflationsgefährdete Pension genießen wollten. Man musste schon ein Schweinehund sein, um so etwas zu bringen.
Die betagten Kuriere der Sydney-Route hatten Anweisung, in die Pennant Hills Road einzubiegen und weiter bis zur Parramatta Road zu fahren. Dort mussten sie an einer ganz bestimmten Tankstelle Halt machen, um einen Ölwechsel vornehmen zu lassen. Mechaniker des Syndikats holten das Kokain aus den Verstecken und wogen es nochmals. Zwanzig Prozent war für die Herstellung von Crack vorgesehen, der Rest wurde mit Glukose verschnitten und erneut verpackt. Die Pensionäre erhielten ihr Zubrot und die Ware setzte ihre Reise in einem Datsun fort, der die Aufschrift ›Autoersatzteile‹ trug. Ziel war das Parkhaus des Hotels in Kings Cross, wo Max Heneker bereits in der vom Syndikat dauerhaft angemieteten Suite wartete.
Max’ Donnerstagnachmittag-bis-Montag-früh-Job begann damit, den gesamten Stoff ein weiteres Mal zu wiegen und das Kokain in Portionen zu 50, 100, 200 oder 500 Gramm aufzuteilen. Crack wurde in kleineren Mengen abgepackt, da das Produkt sich bisher am Markt noch nicht durchsetzen konnte. Für das Syndikat jedoch war das nur eine Frage der Zeit. Den Donnerstagnachmittag verbrachte Max mit Abpacken. Dabei wurde er von Lester beobachtet, einem im Dienst des Syndikats stehenden hirnlosen Vierecks. Lester wog immer
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