Willküra (German Edition)
Abend eine Bewerbung fertig machen und ich verspreche dir, ich werde dich persönlich an die Kommunikationsabteilung weiter empfehlen. Mit meinem Kusshand-Stempel stehen dir die Türen überall offen. Damit bin ich dich dann nämlich los!«
Gerolats Team hatte laut gelacht und er selbst am lautesten. Dieser junge Mann konnte ihm doch nicht etwas von ‚pointiert‘ erzählen. Er wusste genau, wie man Pointen setzte und Menschen zum Lachen brachte.
Auch Fürchtedich IX. hatte laut und vor allem zufrieden gelacht, als er erfahren hatte, dass Gerolat das Farbdesign geändert hatte.
»Uns beiden ist hoffentlich klar, dass du jetzt nicht hier bei mir sitzt, weil die Leute deine neuen Farben im Willkürherrschaftlichen Design mögen, Gerolat. Denn eine Verbesserung der Lebensumstände des Volkes ist nicht die erste Aufgabe eines Willkürherrschers, Gerolat. Aber für den Einsatz, den du gebracht hast, will ich sehen, was ich für dich tun kann, Gerolat!«
Schon am nächsten Tag war der Leiter der Willkürherrschaftlichen Stabsleitung verschwunden und diese Stelle vakant. Wenig später nur wurde Gerolat erneut von Fürchtedich IX. in sein Büro gebeten.
»Du hast hiermit eine neue Stelle, Gerolat!«, hatte Fürchtedich IX. laut gerufen. »Leiter der Willkürherrschaftlichen Stabsleitung, Gerolat! Das muss dir doch gefallen, Gerolat?! Viel weiter nach Oben geht es fast nicht mehr, Gerolat! Holen wir den Bohnenschnaps, Gerolat!«
Daraufhin hatte Fürchtedich IX. laut, nein, wirklich sehr laut ‚Sulo‘ geschrien und ungeduldig gewartet. Nach einer kurzen Pause hatte er zur Tür geblickt, war nervös geworden, fast hektisch, um dann plötzlich laut und übertrieben lang zu lachen.
»Ohohohoho, ich Dummerchen, Gerolat! Da hab ich doch soeben Sulo gerufen, Gerolat. Dabei ist Sulo doch eliminiert, Gerolat. Du bist doch jetzt Sulo, Gerolat. Also, hol du uns einen Bohnenschnaps, Gerolat!«
Zu dem Zeitpunkt, als er mit Fürchtedich IX. angestoßen hatte, Bohnenschnaps um Bohnenschnaps, hatte er noch nicht gewusst, dass der Posten des Leiters der Willkürherrschaftlichen Stabsleitung eine Sackgasse war. Denn wer diesen Posten annahm, verwirkte sich auf Lebenszeit die Möglichkeit, selbst Willkürherrscher zu werden. Und außerdem hatte Gerolat auch nicht gewusst, welch schlimmen Kater der Genuss von 19 Bohnenschnäpsen nach sich zog.
Den Tag darauf würde Gerolat wohl nie vergessen. Er hatte fünf verschiedene Tabletten genommen, die ihm bei der Bekämpfung der üblen Bohnenschnapsreste in seinem Körper hatten helfen sollten. Jedoch schien deren Wirkung sich gegenseitig zu neutralisieren. Er hatte sich elend gefühlt und gerade übers Klo gebeugt gemurmelt, dass es schlimmer wohl nie, nie, nie in seinem Leben würde kommen können, als er eine Nachricht auf einem der Willkürherrschaftlichen Informationsfelder sah:
FÜRCHTEDICH IX. LEGT AMT NIEDER. NACHFOLGER STEHT SCHON FEST.
Sofort sah Gerolat sich schon im Herrschermantel auf dem Thron sitzen. Für einen Moment verschwand sein Leid. Endlich würde er auf dem Posten sitzen, auf dem ihn jeder würde respektieren müssen. Jetzt war seine Zeit gekommen:
Gerolat, der Willkürherrscher!
Endlich. Endlich. Endlich.
Endlich!
Da änderte sich der Text auf dem Willkürherrschaftlichen Informationsfeld.
FÜRCHTEDICH IX. ERNENNT WILLKÜRLICH JUNGEN MANN AUS DER KOMMUNIKATIONSABTEILUNG ZUM NEUEN WILLKÜRHERRSCHER.
Daneben erschien ein Foto des neuen Willkürherrschers. Gerolat spuckte.
Das konnte doch nicht wahr sein!
Der kleine Typ aus der Kommunikationsabteilung, der ihm so neunmalklug Vorschläge unterbreitet hatte, war jetzt der neue Willkürherrscher?
Gerolat konnte es nicht fassen. Er kam nicht darüber hinweg, dass er selbst diesem Kerl damals seinen Kusshand-Stempel gegeben hatte, ohne den er nie in die Kommunikationsabteilung gekommen wäre, und somit auch nie hätte zum neuen Willkürherrscher werden können.
Gerolat hatte sich die Hände vor die Augen gehalten, um das Foto nicht mehr sehen zu müssen, aber der Fakt blieb: er selbst hatte durch sein Handeln den Wachmann zum Willkürherrscher gemacht. Der kleine, lächerliche Wachmann war damit sein direkter Vorgesetzter geworden.
Gerolat schnaubte, als er sich an diesen Tag erinnerte. Der schlimmste Tag seines Lebens. Erniedrigend. Ausweglos. Ungerecht. Ungerecht. Ungerecht.
»Ungerecht!«, schrie Gerolat nun laut aus, obwohl dieses schon Jahre zurück lag.
Die Stimme in seinem Ohr schaltete sich
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