Willküra (German Edition)
stoppte ihn Dr. Triddl streng und schaute weiterhin auf das Blatt. Ab und zu blätterte er mit einem Fingerwischen auf dem Blatt vor und zurück.
Gerolat riss sich zusammen. Er musste durch diesen Termin mit Dr. Triddl durch. Bevor er das nicht hinter sich hatte, würde er nichts anderes machen können, das war ihm klar. Er würde immer wieder aufgefordert werden, seinen Termin bei Dr. Triddl wahrzunehmen und es würde Konsequenzen haben, wenn er es nicht tat. Das hieß, die Aufmerksamkeit würde auf ihn gerichtet sein, und das konnte er im Moment nicht gut brauchen. Er hatte eine Mission, die er möglichst unauffällig durchführen wollte. Es war wohl also besser, Dr. Triddl auf seine Seite zu bekommen. Je schneller er hier raus war, desto schneller konnte er zum Willkürherrscher und dementsprechend früher konnte zu seiner Kursleiterin zurück.
»Schöne Praxis haben Sie hier!«, sagte Gerolat um Dr. Triddl in positive Stimmung zu bringen.
Dr. Triddl schaute wieder über sein Brillengestell. Streng und humorlos.
»Gute Laune kriegen wir jetzt hier nicht mehr rein, wenn Sie das mit ihrem Kommentar bezweckt haben sollten. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe Ihre Akte lesen.«
Gerolat wusste darauf nichts Besseres zu tun, als langsam still vor sich hin zu zählen. Er vermutete, dass ihm diese Vorgehensweise, die er sich einmal angewöhnt hatte, schon manch ein Problem erspart hatte.
Er zählte also los und geduldig immer weiter und weiter und hörte ab und zu Dr. Triddl schwer ein und ausatmen. Dabei schaute er Gerolat meist skeptisch an.
Gerolat war gerade bei 1567, als Dr. Triddl den Zählvorgang mit einem »So!« unterbrach, aufstand und um ihn herum ging.
»Interessante Akte!«, sagte Dr. Triddl, stellte sich genau hinter Gerolat und begann, dessen Nacken zu massieren.
»Besonders die letzten Stunden. Sehr interessant.«
Gerolat wollte etwas antworten, aber seine Gedanken verschwanden immer kurz bevor er sie fassen und artikulieren konnte. Außerdem konnte er auch seinen Mund nicht öffnen und er wurde insgesamt immer schwächer.
»Ihre NegEm lag konstant über 120«, sagte Dr. Triddl und bohrte seinen Daumen und Zeigefinger in Gerolats Hals.
»Die Ursache dafür waren Gedanken an den Willkürherrscher. Sehr interessant, Gerolat, sehr interessant.«
Gerolats Augen schlossen sich langsam.
»Sie denken doch nicht, dass ich Sie mit dieser Einstellung dem Willkürherrscher gegenüber an den Hof zurücklassen kann.«
Er bohrte Gerolat noch mal tiefer in den Hals, so dass Gerolat nun vollends ohnmächtig wurde. Dr. Triddl wartete kurz, ging dann zu seinem Tisch rüber, schaute sich Gerolat an und schien zufrieden mit seiner Arbeit.
Er griff sein Skalpell, ging zu Gerolat zurück, machte einen Schnitt zwischen dem zwölften Brust- und dem ersten Lendenwirbel an der Hauptschlagader und holte mit seinen Fingern einen Chip dort heraus.
»Zeit für ein kleines Update, lieber Gerolat!«, grinste Dr. Triddl und hielt den blutigen Chip hoch.
In dem Moment ging auf Dr. Triddls Zettel eine Nachricht ein. Er ging mit dem Chip in der Hand zu dem Zettel und schaute darauf.
»Soeben bekommen wir das Zeitfenster genannt, mein guter Gerolat!«, sah Dr. Triddl den ohnmächtigen, aufgeschnittenen Gerolat an und las die Nachricht laut vor.
»Viele Stunden stehen zur Verfügung, kein Grund zu Eile!« Dr. lächelte.
»Danke, Madame!«
26
Die Schwester des Willkürherrschers hatte alles geschafft, was sie noch erledigen wollte, bevor sie zu Jamel in die Stadt gehen würde. Zur Sicherheit ging sie ihre Liste noch mal durch.
Mit Fürchtedich IX. hatte sie die unglaubliche Nachricht besprochen, dass ihr Bruder, der Willkürherrscher, sich verliebt hatte. Und obwohl tatsächlich Fürchtedich IX. die Idee gehabt hatte, wie sie damit würde am besten umgehen könnten, hatte sie vor ihm schnell so getan, als wäre genau das bereits auch ihre Idee gewesen.
»Ich habe wohl schon geahnt«, hatte sie gesagt, während Fürchtedich IX. hauptsächlich seine Bohnen angeschaut und daran rumgezupft hatte, »dass mein törichter Bruder so eine Dummheit wie Liebe begehen würde. Warum sonst hätte ich Jamel schon rechtzeitig auf den Pfad des Gefallenschuldens geführt?!«
Fürchtedich IX. hatte sie ein bisschen zu väterlich durchschauend angesehen, so dass sie ein argumentativ schlecht schlagbares »Weibliche Intuition!« hinterher geschoben hatte und recht schnell wieder gegangen war.
Zum einen war ihr sein Blick zu kritisch,
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