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Willküra (German Edition)

Willküra (German Edition)

Titel: Willküra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Hodinka
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sogar richtig das Gefühl, dass er ungelegen kam.
    Jamel war natürlich klar, dass sie nicht verabredet waren und er sie überraschte, aber trotzdem könnte Raja sich mehr über seinen Besuch freuen, dachte er gekränkt.
    Jamel hatte Raja in der Bäckerei kennen gelernt, als sie an ihrem ersten Tag dort gearbeitet hatte. Sofort hatten sie sich zum Kaffee verabredet und wunderbar miteinander geredet. Immer öfter hatten sie sich getroffen und er hatte ihr alles erzählt. Seinen Liebeskummer, seine Klamottenprobleme, seine Probleme mit dem Ordnunghalten, seinen Stress, der durch die Erwartungshaltung seiner Mitmenschen ausgelöst wurde, seine weiblichen Eroberungen, selbst über seine, natürlich nur sehr selten vorkommenden Erektionsprobleme hatte er mit ihr geredet – über alles, was ihm wichtig war eben. Lange war Raja seine Vertraute gewesen. Eine Freundschaft zwischen Mann und Frau, wie Jamel sie nicht für möglich gehalten hätte. Bis sie sich eines Tages bei ihr zu Hause verabredet hatten. Raja hatte ihm nackt die Tür geöffnet und ihn verführt. Von da an hatten sie die gemeinsame Zeit voll und ganz ausschließlich für Liebesspiele genutzt.
    Raja war seine liebste Geliebte geworden. Er kam so regelmäßig zu ihr, und die körperliche Liebe mit ihr war so gewohnt für ihn geworden, dass es war wie Tür abschließen: absolut notwendig. Aber manchmal konnte er sich nicht wirklich erinnern, ob er es tatsächlich getan hatte, oder nicht.
    Jetzt hatte Jamel eigentlich vorgehabt, Raja sofort und ohne Umschweife nach dem Buch der unbewussten Handlungen zu fragen, denn er hatte keine Zeit, mit Raja ein paar schöne Stunden in ihrem Schlafzimmer zu verbringen. Jedoch entschied sich der beleidigte Teil in ihm nun doch, eine Konversation zu führen, die nicht mit dem Buch zu tun hatte.
    »Du freust dich wohl nur mich zu sehen, wenn ich zum verabredeten Termin komme, oder was!?«
    Schnippischer hätte Jamel nicht sein können.
    »Ist das jetzt ein Kontrollbesuch, wie viel ich mich freue, wenn du einfach so vorbei kommst, wenn ich gleich arbeiten gehen muss?«, fragte Raja genau so schnippisch zurück.
    »Ach so, du musst arbeiten gehen. Ich dachte schon, du hast vielleicht einen anderen.«, sagte Jamel erleichtert.
    »EINEN anderen? Ich habe viele, viele andere. Das weißt du doch.«
    Was war nur mit Raja los, fragte sich Jamel. Warum versuchte sie ihm gerade dringend weh zu tun und trat seine Emotionen mit Füßen? Was er wusste, und womit er sich aktiv auseinandersetzen wollte, waren zwei Dinge. Und er wollte sich jetzt definitiv nicht damit auseinandersetzten, wie viele Männer Raja noch hatte. Es tat ihm fast weh, dass sie ihn jetzt so aktiv darauf hinwies. Aber er konnte jetzt nicht einfach Kehrt machen. Er hatte die Mission Buch hier durchzuziehen, auch wenn seine Gefühle gerade litten.
    Raja schaute Jamel genervt an, ging ins Wohnzimmer, setzte sich an den Tisch, nahm einen Apfel und begann, ihn konzentriert zu schälen. Jamel setzte sich zu ihr und überlegte, wie er jetzt möglichst geschickt vorgehen sollte.
    Auseinandersetzung durch etwas völlig Anderes beenden, kam ihm als Ausweg in den Sinn.
    »Hast du eigentlich das Buch Unbewusste Handlungen und ihre Erklärungen, oder so ähnlich?«
    »Meinst du ‚Die Geheimnisse der unbewussten Handlungen und die Erklärungen ihrer‘?«, fragte Raja und guckte kurz von ihrem Apfel auf.
    »Ja, wahrscheinlich ist es das«, freute sich Jamel, dass sie es kannte.
    »Ja, das hab ich.«
    Jamel konnte sein Glück kaum glauben.
    »Kannst du es mir geben?«
    »Warum?«, fragte Raja mit einem schiefen Grinsen. »Willst du wissen, was es heißt, wenn man seinen Rotweinfleck auf dem T-Shirt versucht mit einem Schal zu verdecken?«
    Jamel schaute ertappt an sich herunter.
    »Und seine Pyjamahose trägt?«, Raja lachte. »Dafür brauchst du kein Buch. Das kann ich dir so erklären: zu faul, sich um die eigenen Klamotten zu kümmern, zu faul, sich was Neues zu kaufen, und dann dringend irgendwohin müssen und nichts zum Anziehen finden. Und zwar so dringend irgendwo hin müssen, dass die Scham, mit dreckigem Shirt rauszugehen kleiner ist, als die Notwendigkeit des Vor-die-Tür-Tretens.«
    »Kann ich das Buch haben?«, ignorierte Jamel den nächsten Versuch Rajas, seine Gefühle zu verletzen. So viel Kritik in so kurzer Zeit konnte er kaum vertragen.
    »Wofür brauchst du es so dringen, dass du ohne Anmeldung deshalb hier auftauchst?«, fragte Raja erstaunt.
    Abwarten, dachte

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