Willküra (German Edition)
konnte, doch er griff ins Leere.
»Ich hab ja meinen Mantel gar nicht an?!«, stellte er erstaunt fest.
»Deinen Mantel hast du hier gelassen, Willkürherrscher. Und es sind schreckliche Dinge hier passiert, als du weg warst.«
Amanus erzählte von dem Besuch der Schwester des Willkürherrschers, wie sie den Mantel angezogen hatte und plötzlich ein Zwerg aufgetaucht und wieder verschwunden war, und dass die Schwester des Willkürherrschers sie aufgefordert hatte, den Hof zu verlassen.
»Ich habe das Gefühl, meine liebe Amanus, dass auch du ein bisschen Bohnenschnaps in deinen Körper gelassen hast?!«
Der Willkürherrscher kicherte. Dann schwankte er leicht.
»Lass uns doch im Bett weiter sprechen bitte, ja?! Ich kann nämlich überhaupt nicht mehr stehen.«, lallte der Willkürherrscher ein wenig.
Amanus stützte ihn auf dem Weg ins neue Schlafzimmer.
»Nicht dass du jetzt denkst, dass ich immer so schrecklich betrunken bin, Amanus. Denkst du das? Das sollst du nicht denken. Ich vertrage diesen Bohnenschnaps doch nicht, und Fürchtedich IX. wollte unbedingt auf dich anstoßen. Und auf dich muss ich doch anstoßen, weil du doch ein so kostbares Wesen bist. Bist du doch, Amanus?«
Der Willkürherrscher schaute Amanus ein wenig prüfend an.
»Willkürherrscher, was soll ich denn darauf sagen?«, wurde Amanus ein wenig rot und der Willkürherrscher wusste wieder ganz sicher, dass sie ein kostbares Wesen war.
»Und das Schlimmste an dieser Lage ist«, fuhr der Willkürherrscher fort, »dass ich jetzt schon weiß, dass es mir morgen früh fürchterlich schlimm gehen wird.«
Er machte eine kleine Pause und schien sich an etwas erinnern zu wollen.
»Was wollte meine Schwester noch mal hier?«, schaute er Amanus verwirrt an.
»Erzähl ich dir morgen«, sagte Amanus verständnisvoll, legte den Willkürherrscher vorsichtig ins Bett, streichelte ihm die Stirn und obwohl sie überhaupt nicht müde war, legte sie sich selbst ganz nah neben ihn und zog die Decke so hoch wie es ging über sie beide.
25
»Sie kommen spät!«, sagte Dr. Triddl monoton, mit einer für einen Mann recht hohen, dünnen, leisen Stimme. Dabei schaute er Gerolat über den oberen Rand seiner Lesebrille kritisch an.
»Wieso?«
»Es kam mir etwas dazwischen«, erwiderte Gerolat und wünschte, er müsste jetzt nicht diesen Termin bei Dr. Triddl wahrnehmen. Viel lieber wollte er jetzt sofort für seine Kursleiterin und ihre gemeinsame Zukunft kämpfen. Gegen die Willkür des Willkürherrschers, dem Einzelschicksale völlig egal waren. Dieser Termin hier kam ihm unglaublich ungelegen. Aber er war unumgänglich.
Er hätte sich von Anfang an nicht an diesen NegEm-Messungen beteiligen sollen. Aber von Seiten des Stabs für Körper und Geist hieß es damals ‚Es ist gut für die Gesundheit und somit für den Willkürherrschaftlichen Staat. Wer dagegen ist, ist gegen den Staat und kann nicht weiter hier beschäftigt werden‘. Alle, die am Hofe zu tun hatten, waren mit diesen Messgeräten ausgestattet worden. Es war wohl nur ein kleiner Chip irgendwo im Körper. Wo der sich aber befand, wusste er nicht. Das wusste keiner, außer den Ärzten, die die Operation am bewusstlosen Patienten durchführten.
Gerolat fand diese Operationen merkwürdig und hatte mehrmals versucht herauszufinden, ob auch das Volk solche Chips bekommen hatte. Aber all sein Nachfragen hatte ihn nicht weit gebracht. Nur einmal hatte er von einem Stabschef des Stabs für Körper und Geist erfahren, dass die Gesundheit des Volkes wohl nicht ganz so wichtig war, wie die des Hofes.
»Da geht es um andere Dinge, wenn da gemessen wird«, hatte er noch nachgelegt, »aber mehr willst du lieber nicht wissen, mein lieber Gerolat. Und hör auch besser auf, dich darum zu kümmern, denn das ist nicht gesund.«
Kurz danach wurde ein anderer Stabschef eingesetzt und Gerolat hatte den vorherigen nie wieder gesehen.
»Was kam Ihnen denn dazwischen?«, fragte Dr. Triddl für Gerolats Geschmack in einem unheimlich psychopathischen, aber auch pädagogischen Ton.
»Die Liebe«, antwortete Gerolat fast trotzig, »und wenn ich ehrlich bin, hab ich jetzt auch nicht viel Zeit, also sehen Sie zu, dass wir hier möglichst bald fertig werden.«
Dr. Triddl nahm ein Blatt in die Hand, und studierte sorgfältig und lange, was darauf stand. Gerolat rutschte ungeduldig auf dem kalten Stuhl hin und her. Doch Dr. Triddl ließ sich davon nicht beeinflussen.
»Ich habe …«, sagte Gerolat.
»Psst!«,
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