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Willküra (German Edition)

Willküra (German Edition)

Titel: Willküra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Hodinka
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unbewussten Handlungen hatte er in der Schublade neben seinem Bett versteckt und wollte vor der Schwester des Willkürherrschers erst so tun, als hätte er es nicht. Sobald sie dann so richtig wütend und sauer auf ihn würde, würde er das Buch heraus holen und damit winken, wie ein Zauberer sein Kaninchen über dem Zylinder.
    Die Anspannung würde platzen, wie ein von einer Nadel gestochener Luftballon und sie würden sich hemmungslos lieben.
    Dieser antizipierte Moment des Glücks löste eine unglaubliche Freude in Jamel aus. Er kicherte infantil und unterdrückte ein größeres Lachen, das sich in ihm breit machen wollte.
    Nun waren es nur noch wenige Minuten, bis die Schwester des Willkürherrschers kommen würde. Und da Jamel wusste, dass sie immer auf die Sekunde genau ihre Termine einhielt, hatte er nur noch wenig Zeit.
    Er zupfte die Rosen in der Vase in Form, versprühte ein bisschen aphrodisierendes Parfüm in seiner Wohnung, prüfte, ob der Champagner, den er zuvor mit Erbsen-Schnaps versetzt hatte, im Kühlschrank kalt genug war, und sah sich, jeweils hinter jeder dieser Handlungen, in seiner Ganzkörperspiegelkabine an.
    Diese, eine Spezialanfertigung für ihn, erlaubte ihm, jeden Zentimeter seines Körpers zu sehen. Vorne, hinten, Seite, oben, unten – er konnte alles betrachten. Er liebte diese Ganzkörperspiegelkabine und er war bei jedem Blick mehr überzeugt von seinem neuen Outfit.
    Jamel ging schon mal zur Tür. Gleich war es so weit. Er zählte die Sekunden runter und drückte zeitgleich mit dem Klingeln den Türöffner.
    Er hörte, wie sich die Schwester des Willkürherrschers die Treppen hoch quälte, atmete, schnaubte, hechelte, und als sie oben angekommen war, öffnete er ihr die Türe mit einem weichspülenden »Hallo!«
    »Warum musst du so weit oben wohnen?«, tadelte sie ihn wie jedes Mal völlig außer Atem. »Und wenn du schon so weit oben wohnst, warum sorgst du dann nicht dafür, dass hier ein Aufzug eingebaut wird?«
    Die Schwester des Willkürherrschers beruhigte sich wieder ein wenig, als ihr Blick auf Jamels Schritt fiel.
    »Neue Hose?«, fragte sie mit freudigem Strahlen. »Steht dir gut.«
    Jamel merkte, dass die Schwester des Willkürherrschers angebissen hatte. Er nahm ihre Hand, führte sie ins Wohnzimmer, schob sie aufs Sofa, zog eine Rose aus der Vase, gab sie ihr mit einem gehauchten »Für dich!« holte dann den Champagner und stieß mit ihr an.
    »Jamel, du weißt, ich bin nicht zum Spaß hier«, sagte die Schwester des Willkürherrschers streng und doch verspielt herausfordernd.
    »Warum nicht erst ein bisschen Vergnügen vor der Arbeit?«, spielte Jamel mit, saß überraschend schnell neben ihr auf dem Sofa und küsste sie. Die Schwester des Willkürherrschers küsste ihn zurück, stöhnte ein wenig, fasste Jamel in den Schritt, den sie die ganze Zeit über kaum aus den Augen hatte lassen können, und sprang plötzlich entsetzt auf.
    »Da passiert ja gar nichts?! Was soll das?«
    »Meine Liebste«, stotterte Jamel peinlich berührt, »es liegt nicht an dir. Es ist, äh, ich bin körperlich gerade nicht ganz so auf der Höhe.«
    »Das ist eine unverschämte Frechheit!«, rief die Schwester des Willkürherrschers erbost. »Dann kommen wir jetzt direkt zu dem, was ich eigentlich von dir will.«
    Sie machte eine Kunstpause, auf die Jamel jedoch nicht reagierte.
    Er hatte sich vorgestellt, dass sie in seinem Bett liegen würden, wenn sie ihn nach dem Buch fragen würde. Nicht, dass sie hier im Wohnzimmer sitzen würden. So war ja der ganze Witz raus aus seinem Spielchen. Denn hier erst so tun, als hätte er das Buch nicht, um dann umständlich erst ins Schlafzimmer zu gehen, um dann gefühlte Jahrzehnte später zurück zu kommen und den Schabernack aufzulösen? Da wäre der Spannungseffekt ungefähr so, als würde er versuchen, mit einem Teebeutel einen Luftballon zum Platzen zu bringen.
    Jamel verwarf also seinen lustigen Plan.
    »Ah, das Buch«, sagte er geschäftsmännisch und ohne jede Panik, »ich hole es dir sofort.«
    Er ging ins Schlafzimmer und ärgerte sich darüber, dass er jetzt nicht sehen konnte, wie die Schwester des Willkürherrschers mit dieser, von ihr sicherlich nicht erwarteten Nachricht, zurecht kam, dass er das Buch tatsächlich hatte. Sicherlich war sie sehr überrascht und wusste nicht, wie sie jetzt reagieren sollte.
    Als er zurück kam, steckte sie gerade ein kleines Papier wieder ein.
    Jamel überreichte ihr feierlich das Buch.
    »Wo war es?«,

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