Willküra (German Edition)
Willkürherrscher und verschwand noch mal kurz.
Im Bad litt er fürchterlich. Er dachte an den nächsten Tag, überlegte, ob es wichtige Termine gab, kam zu dem Schluss, dass es für einen Willkürherrscher zum Glück keine Termine geben konnte, die wichtiger waren, als seine Entscheidung, dass sie nicht stattfinden würden, freute sich gar nicht auf seinen fahrigen und unkonzentrierten Zustand, der nach dem Schlaf auf ihn warten würde, wenn er überhaupt zu Schlaf kommen würde, denn so wie er Amanus‘ Redebedürfnis gerade einschätzte, konnte es auch ein Zustand nach dem Nichtschlaf werden, und dann quälte er sich den Gang zurück ins Schlafzimmer. Ihm war kalt. Und übel. Er verfluchte den Bohnenschnaps.
Als er ins Schlafzimmer kam, saß Amanus immer noch exakt so auf dem Bett wie zuvor.
Der Willkürherrscher zitterte leicht, als er die Decke über sich zog, und obwohl er gerade erst im Bad gewesen war, hatte er schon wieder das Gefühl, es wolle noch mehr aus ihm raus.
»Außerdem hat sie gesagt, dass ich dich überreden soll, dass du mit mir gehst und wir irgendwo anders ein neues Leben beginnen. Wenn du mich wirklich liebst, hat sie gesagt, dann würdest du mit mir gehen.«
Amanus sah den Willkürherrscher erwartend an. Doch der reagierte nicht.
»Das hat sie gesagt!«, wiederholte Amanus nun laut und stupste ihn leicht am Arm.
»Was hat sie gesagt?«, stöhnte der Willkürherrscher.
»Dass wir zusammen weggehen sollen. Und ich habe auch darüber nachgedacht. Warum sollten wir nicht weggehen? Ich meine, wir könnten jetzt einfach ein, zwei Sachen einpacken und verschwinden. So schlimm wäre es vielleicht gar nicht. Denn was wartet am Ende hier auf dich? Dass du den Willkürherrschaftlichen Bohnengarten von Fürchtedich IX. übernimmst? Oder willst du vielleicht wieder als Wachmann arbeiten?«
Amanus machte eine kleine Pause, weil sie dem Willkürherrscher die Möglichkeit geben wollte, darüber nachzudenken. Doch dann war sie zu aufgeregt. Die Idee, dass sie vielleicht bald schon unbekanntes Terrain betreten würde rührte sie auf.
»Wir können doch lieber jetzt zusammen etwas Neues erleben, etwas Eigenes schaffen. Etwas, was wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können. Was sagst du?«, fragte sie freudig.
Der Willkürherrscher stieß laut auf, entschuldigte sich bei Amanus und riss sich dann für einen kurzen Augenblick zusammen.
»Ich bin hier der Willkürherrscher, Amanus. Ich kann hier nicht weggehen. Ich will hier auch nicht weggehen und ich muss hier auch nicht weggehen. Wenn mich jemand bedroht, schlecht über mich spricht, oder mir irgendwie im Weg steht, dann lasse ich ihn entfernen. Außerdem mag ich Abenteuer nicht, ich will nichts Neues und nichts erleben, was ich mir nicht vorstellen kann. Wir bleiben hier. Sobald ich morgen kann, werde ich das mit meiner Schwester klären. Entweder sie lässt uns in Ruhe, oder sie geht.«
Nach dem letzten Wort fielen seine Augen zu und er in den Schlaf.
29
»Gerolat hat dringend darauf bestanden, dass ich ihn hierher bringe. ‚Die Kursleiterin, ich muss zurück zur Kursleiterin!‘ hat er gehaucht und mir mit seiner letzten Kraft den Weg hierher beschrieben.«
Genau das hatte Dr. Triddl schon einmal gesagt, kurz nachdem er sich bei der Kursleiterin mit »Dr. Triddl mein Name« vorgestellt hatte.
Und jetzt, als sie Gerolat in ihr Bett gelegt und zugedeckt hatten, und die Kursleiterin Gerolat über die Stirn strich, sagte er es wieder.
Was für ein Tag! Die Kursleiterin konnte es kaum fassen. Erst hatte Gerolat plötzlich und unerwartet vor ihrer Tür gestanden, und die Welt hätte nicht schöner sein können.
Kurz danach schon war aber die Nachricht gekommen, dass alle Ratgeber-Literatur verboten worden war, was hieß, dass sie ihre Existenzgrundlage verloren hatte. Das hatte sie in eine emotionale Misslage gebracht, die sie kaum ertrug.
Und nun, nachdem Gerolat Hals über Kopf aus ihrer Wohnung wieder heraus gerannt war, um alles wieder in Ordnung zu bringen, kam plötzlich dieser Arzt und brachte ihr einen bewusstlosen Gerolat zurück.
»Er hat an meiner Tür geklingelt. Sehr häufig und mit kurzen Abständen. Ich verstand sofort, dass es ein Notfall sein musste. Er kam in meine Praxis gestürzt und verlangte von mir Beruhigungsmittel. Er sagte, er würde sonst durchdrehen. Er wollte seinen Puls so niedrig wie möglich halten. Und nach den Beruhigungsmitteln fragte er mich, ob ich ihm auch Gift geben könne. Nicht für sich
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