Willküra (German Edition)
den sie irgendwie loswerden musste, und nicht das gesamte Volk im Nacken.
Sie lachte kurz fassungslos in sich hinein.
Was hätte sie denn mit all den Leuten da oben im Schloss angefangen?
Sie schüttelte ungläubig den Kopf, dass sie auch diesen Umstand gar nicht bedacht hatte.
Wirklich unglaublich, dachte sie noch einmal. Sie hätte sich tatsächlich beinahe das Volk mit hoch genommen. In den für das Volk uneinnehmbaren Schlossbereich. Sie war nun eigentlich ganz froh über diese Lösung hier. Denn es hatte sich nur ein kleiner Teilabschnitt des Weges zum Ziel verändert, das Ziel war dabei immer noch ohne Abstriche zu erreichen. Sie analysierte noch einmal schnell die Situation und kam zu dem Schluss, dass die ganze Sache an Jamel scheitern könnte, wenn sie es nicht schaffte, ihn gefügig zu machen.
Jamel wird niemals so schnell gehen können wie ich, dachte sie, und wenn, dann nur mit einer solchen Anstrengung, dass er meinen Ausführungen nicht wird folgen können. Er wird zwar nicken, aber verstehen, was ich von ihm verlange, wird er dabei sicher nichts.
»Komm mein liebster Jamel«, änderte sie ihre Taktik. »Wir setzen uns ein wenig hin, ruhen uns aus, kuscheln uns aneinander und ich verrate dir dabei, was du beim Willkürherrscher gleich am besten sagen kannst, damit wir schon sehr bald gemeinsam glücklich im Schloss leben können!«
Jamel blieb sofort stehen und lächelte die Schwester des Willkürherrschers glücklich an.
»War das ein Heiratsantrag?«, fragte er übersprudelnd vor Freude.
Die Schwester des Willkürherrschers drängte ihr Entsetzen zur Seite.
»Ja, Jamel, ja! Ich liebe dich, willst du mich heiraten?«
»Ja!«, rief Jamel völlig außer sich, umarmte die Schwester des Willkürherrschers und hörte nicht auf, sie zu küssen.
Was hätte die Schwester des Willkürherrschers anderes sagen sollen? Sie brauchte Jamel gleich zu 100% auf ihrer Seite. Was macht schon eine kleine Notlüge aus, wenn man sein Ziel sicher erreichen will?
36
Gesandter 6574 klopfte unzufrieden und hektisch im schnellen Wechsel seinen
Ring-, Mittel- und Zeigefinger auf den Tisch.
»Was läuft da eigentlich schief mit den Zwergen?«, fragte er streng.
Sowohl der Leiter der Erfindungs- als auch der Leiter der Entwicklungsabteilung schauten betroffen.
»Nun«, räusperte sich der Leiter der Entwicklungsabteilung und sprach leise, langsam und unsicher weiter, »nach der Analyse der vorliegenden Daten und der Befragung der Zwerge, sieht es so aus, dass wir zwar die Übertragung des Materials schaffen, nicht jedoch die Übertragung der Information, die wir darin implementieren.«
»Sprich«, unterbrach ihn der Leiter der Erfindungssabteilung laut und dynamisch, »die Zwerge landen zwar im Willkürherrschaftlichen Staat, aber sie vergessen scheinbar ihren Auftrag.«
»Das ist schlecht!«, fasste Gesandter 6574 diese Informationen zusammen.
»Die Zwerge vergessen zum Teil auch die Informationen, die sie im Willkürherrschaftlichen Staate sammeln. Zu dem Schluss kommen wir ebenfalls nach der Analyse unserer Daten und der ausführlichen Befragung der zurückgekehrten Zwerge.«
»Kann ich mal mit so einem Zwerg sprechen?«, fragte Gesandter 6574.
»Natürlich. Das versteht sich. Du hast doch jederzeit Zutritt zu allen Bereichen«, antwortete der Leiter der Entwicklungsabteilung langsam, und ging zur Tür der schnellen Beförderung.
»Nein, lass uns laufen«, schlug Gesandter 6574 bestimmt vor.
Er wollte die beiden unterwegs über die Neuigkeit unterrichten, dass der Willkürherrscher selbst dieses Mal zum Herrschertreffen kommen würde. Die Brisanz, die er dahinter vermutete, wollte er mit Hilfe eines gemütlichen Ganges etwas reduzieren.
Sie gingen durch einen langen, breiten Gang, Gesandter 6574 in der Mitte, mit den Armen um die Schultern der beiden gelegt.
»Wie geht es euch beiden denn? Alles gut?«, fragte Gesandter 6574 freundschaftlich.
»Ja«, bestätigte der Leiter der Entwicklungsabteilung.
»Bei mir auch nichts zu meckern«, nickte der Leiter der Erfindungsabteilung.
»Mit der Familie auch alles in Ordnung?«, fragte Gesandter 6574 nach.
»Ja«, sagte der Leiter der Entwicklungsabteilung wieder und überlegte, was er noch sagen könnte, als schon wieder nur ein ‚Ja‘, denn das könnte ja auch so wirken, als hätte er kein Interesse an dem Gespräch, oder als wäre er nicht ganz eloquent. Und beides stimmte ja nicht.
»Wenn du schon so fragst«, fiel ihm der Leiter der
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