Willküra (German Edition)
weißt.«
»Was soll das denn jetzt?«, fragte Raja perplex. Sie versuchte hier, sich ihrer Kollegin zu öffnen, sie zu warnen, in ihr eventuell eine Gleichgesinnte zu finden in dem bevorstehenden Kampf, und dafür bekam sie so eine unverschämte, sehr persönlich gemeinte Kritik?
»Und woher willst du das überhaupt wissen, mit diesen Schwierigkeiten, die auf uns zukommen?«, wurde die Kollegin jetzt doch ein bisschen neugierig.
»Weil nie etwas so bleibt, wie es gerade ist. Und wenn man auf die Zeichen achtet, gut zuhört und richtig deutet, dann kann man zumindest erahnen, in welche Richtung es geht.«
»Und in welche Richtung geht es?«, fragte die Kollegin latent genervt, denn irgendwie wurde ihr dieses Gespräch nun doch zu blöd. Sie bevorzugte, das merkte sie gerade, die stumme Raja, auch wenn sie sie dafür gerade noch getadelt hatte.
»In die schlechte Richtung«, antwortete Raja, zog ihre Schürze aus und legte sie langsam und mit Nachdruck neben die Kollegin.
»In die schlechte Richtung«, wiederholte sie noch einmal und ging zur Tür. »Und die nimmt man besser nicht einfach so hin!«
35
»Hast du dir in der Sonnenkabine die Fußsohlen verbrannt, oder warum schleichst du so?«
Die Schwester des Willkürherrschers hatte sich zwar in ihrem ursprünglichen Plan, mit dem Großteil des Volkes das Schloss zu stürmen, ausgemalt, dass Jamel ein wenig versetzt hinter ihr gehen würde, was ihre Führungsposition hätte unterstreichen sollen, aber jetzt, wo sie nur zu zweit waren, ärgerte es sie, dass Jamel so langsam hinter ihr her schlich. So konnte sie ihm nicht auf dem Weg schon vernünftig Instruktionen geben, über das, was genau er gleich sagen sollte, wenn sie auf den Willkürherrscher trafen.
Sie musste es ihm aber noch auf dem Weg klar machen, denn wenn Sie einmal das Tor passiert hätten, müsste alles wie am Schnürchen laufen. Sie schaute Jamel an, der eher wie ein Gejagter aussah, als wie ein Jäger.
Er hatte sich auf ihren dringenden Ratschlag hin noch umgezogen. Er hatte sich dagegen gewehrt, dass sie ihm in seine Khaki-Hose ein paar Löcher gerissen, und sein ockerfarbenes Hemd mit Dreck beschmiert hatte. Auch ein paar Knöpfe hatte sie ihm abgerissen, und ihn davon überzeugt, dass sich ein paar Schuhe, die Kampfstiefeln ähnlich waren, am besten machen würden. Aber gegen das rote Tuch, das er sich in die hintere Hosentasche hatte stecken sollen, hatte er protestiert. Das wäre nun wirklich überhaupt nicht seine Farbe, war er standhaft geblieben, bis sie sich auf ein gelbes Tuch einigen konnten. Das hatte er aber auch nur an die Hosenschlaufe gebunden, denn hinten in die Hosentasche gesteckt verfremdete es zu sehr die Poform, hatte Jamel erklärt. Am Ende glich er einem Widerstandskämpfer nach 48h Patrouillendienst mit unerwarteten Gefechten und Kampfhandlungen.
Die Schwester des Willkürherrschers konnte nicht einschätzen, was Jamel über die Situation dachte. War es für ihn ein Verkleidungsspiel? Oder fühlte er wirklich, dass es seine Pflicht wäre, weil er ihr ja diesen Gefallen schuldete? Oder dachte er einfach gar nicht darüber nach und machte einfach mal? Was auch immer in Jamel nun vorging, sie bezweifelte, dass er schon verstanden hatte, wie wichtig sein schauspielerisches Talent gleich werden würde. Wenn er überhaupt schon etwas verstanden hatte.
»Warum haben wir es denn so wahnsinnig eilig?«, jammerte Jamel. »Das ist doch schon fast Jogging, was du da an Tempo vorlegst. Ich dachte, wir machen einen romantischen Spaziergang und du stellst mich endlich deinem Bruder vor?!«
Die Schwester des Willkürherrschers lachte laut in sich hinein.
»Hör besser auf zu denken, Jamel. Und komm ein bisschen schneller. Denn ich sage dir nun genau, was du gleich sagen sollst, wenn wir den Willkürherrscher treffen, und wenn du nicht neben mir hergehst, wirst du es nicht hören. Und was meinst du, bedeutet das für dich?«
»Nichts Gutes?«, fragte Jamel mit einem solchen Zögern, dass die Schwester des Willkürherrschers endgültig jede Hoffnung aufgab, dass Jamel jemals irgendetwas in seinem ganzen Ausmaß verstehen würde.
Sie hasste es, dass sie nicht alles allein machen konnte, und immer jemanden zu Hilfe nehmen musste, wenn sie Großes erreichen wollte. Doch obwohl sie noch mit sich unzufrieden war, dass sie nun nur mit einer Hilfskraft, und mit einem Plan B zurück zum Schloss ging, war sie gleichzeitig auch ganz froh darüber. Denn so hatte sie gleich nur Jamel,
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