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Willküra (German Edition)

Willküra (German Edition)

Titel: Willküra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Hodinka
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zur Verfügung zu stellen.
    Er hatte sich nämlich gerade selbständig gemacht und konnte zu seinem Firmennamen ‚Paparazzi- und Filmdienst‘ den Zusatz ‚Ein Dienst, den auch der Willkürherrscher in Anspruch nimmt‘ sehr gut gebrauchen, denn das würde die Nachfrage im Volk erheblich steigern.
    Fürchtedich IX. hatte zugesagt, und damit nicht nur seinem Bruder helfen wollen, sondern hatte auch die Idee sehr aufregend gefunden, dass er mit der Schwester des Willkürherrschers unauffällig beobachtet und fotografiert werden würde. Am reizvollsten daran fand er aber, dass dadurch eine fotografische Chronik der Beziehung entstehen würde, und dann, im zweiten Schritt, aus den angesammelten Informationen ein Film gedreht werden würde. Ein ganz persönlicher, der nur von ihrer Beziehung handeln würde. Der Bruder stellte dabei frei, ob man selbst die Rollen spielen wollte, oder Schauspieler das übernehmen sollten. Da die Schwester des Willkürherrschers von der ganzen Sache nichts wusste, und es eigentlich eine Überraschung werden sollte, würden sie diese Frage dann klären, wenn es so weit wäre, hatte er in dem Fragebogen seines Bruders angekreuzt.
    Fürchtedich IX. ließ sich die Bilder in chronologischer Reihenfolge anzeigen.
    Sein Bruder hatte den einzelnen Treffen immer einen Titel gegeben, wie es auch einem Filmkapitel entsprechen könnte, um die Arbeit insgesamt so effizient wie möglich zu gestalten.
    Fürchtedich IX. entschied sich für die Bilderserie ‚Fürchtedich IX. und Schwester des Willkürherrschers essen zum zweiten Mal zusammen zu Abend‘, und eine Diashow startete.
    Wir waren so verliebt und nichts war uns wichtig, außer uns beiden und unseren Gefühlen, dachte Fürchtedich IX. ein bisschen wehmütig. Keine Pläne, keine Ziele, keine realistischen Zukunftsgedanken, keine Taktiken – nur wir beide im hier und jetzt. Oder heißt es dann hier und damals? Oder dort und damals?
    Er stoppte das Bild, auf dem die Schwester des Willkürherrschers ihm die Wange streichelte und schaute sie in Gedanken versunken an.
    Es war vielleicht die schönste Zeit. Ich werde sie nachher mal fragen, ob es für sie im Prinzip auch die schönste Zeit war.
    »Willst du dir die Notiz ansehen, die an diese Bilder angehängt ist?«, fragte der Tisch.
    »Ja, warum nicht, Tisch?!«
    Eine schriftliche Notiz seines Bruders wurde eingeblendet.
     
    Bruder!
    Ich bin dir so dankbar, dass du mir den Auftrag gegeben hast. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was los ist, seitdem ich den Zusatz ‚Ein Dienst, den auch der Willkürherrscher in Anspruch nimmt‘ unter den Firmennamen gesetzt habe. Es sind enorm viele Aufträge.
    Ich werde natürlich dafür sorgen, dass deine Beziehung mit deiner heimlichen Freundin einwandfrei festgehalten wird. Dafür werde ich allerdings bereits jetzt zusätzliche Kräfte engagieren müssen. Sie sind aber diskret und können nichts verraten, denn sie sind an die Dienste von WED angeschlossen. Ich weiß nicht, ob du die Firma kennst? Ein Anbieter, der Erinnerungen löscht. In diesem Falle sehr praktisch, denn seien wir ehrlich, wer behält ein Geheimnis wirklich nur für sich? Wir sind doch im Grunde dafür gemacht, Informationen weiter zu geben. Ist das nicht vielleicht auch der Sinn unseres Lebens? Informationen sammeln und weitergeben? Wie können wir dann ernsthaft Stillschweigen von jemandem erwarten? Aber entschuldige, ich schweife ab.
    Was auf jeden Fall wirklich erstaunlich ist, ist, wie viele Leute aus dem Volk nun meinen Dienst gebucht haben. Das ist ja natürlich erfreulich. Auf der anderen Seite aber komme ich kaum hinterher und bin erstaunt, dass diejenigen, die die uninteressantesten Leben führen, und im Grunde nichts erleben und nichts zu sagen haben, am meisten meine Dienste buchen und die meisten Informationen von sich preisgeben wollen. Überall dürfen und sollen wir sie verfolgen. Bis ins Bad und ins Schlafzimmer. Und meist ist es so langweilig, dass man aufpassen muss, hinter der Kamera nicht einzuschlafen. Und die paar, bei denen ich dachte, dass es interessant werden könnte, die beschränken ihren Auftrag auf die öffentlichen Bereiche und wollen z.B. im intimen Rahmen nicht den Einsatz der Kameras. So wird es am Ende eine unendliche Zahl von langweiligen Fotos und Filmen geben, für die sich wahrscheinlich außer dem Auftraggeber selbst keiner interessieren wird.
    So, ich muss los, ich habe gleich Verhandlungsgespräche mit WED und will den Preis ihrer Dienstleistung

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