Willküra (German Edition)
einfach so tun, als wäre er ein schlechter Traum gewesen, und wir vergessen ihn. Was meinst du?«
»Aber er hat mir gesagt, dass ich das Leben des Willkürherrschers in der Hand habe.«
»Ja«, nickte Gerolat verständnisvoll. Dann sah er ihr in die Augen. »Aber du hast auch unseres jetzt in der Hand! Unser Glück. Wenn du mich nicht zum Willkürherrscher gehen lässt, dann wird er garantiert das Buch nicht wieder in die Läden bringen. Unser Glück hängt davon ab.«
»Ja, aber wenn ich dich gehen lasse, dann bringst du ihn vielleicht um.«
»Ich versichere dir, ich habe nicht vor, den Willkürherrscher umzubringen.«
Gerolat schaute die Kursleiterin verliebt an und umarmte sie dann. Sie gluckste kleine, erfreute Geräusche, die einem Kichern nicht unähnlich waren.
»Und selbst wenn dieser Arzt vielleicht mehr weiß als wir«, sagte Gerolat dann, »wie schlimm wäre es eigentlich, wenn ich den Willkürherrscher tatsächlich umbrächte?«
Die Kursleiterin schaute erst den Brief, dann Gerolat an. Sie nickte abwesend.
»Ja, wie schlimm wäre das eigentlich?«
43
»Vielleicht eine Stiftung für Eltern, denen ihre Kinder nicht gefallen?«, schlug Amanus vor, während sie mit dem Schaum im Sprudelbad über den Brusthaaren des Willkürherrschers ein Herz formte.
»Vielleicht«, schnurrte der Willkürherrscher beinahe, weil er sich gerade so richtig zufrieden fühlte.
Das hier war jetzt genau das Richtige für ihn. Mit geschlossenen Augen im Sprudelbad liegen und nur ein bisschen unwichtiges Geplauder nebenbei. Hier wollte er bleiben. Wenn es notwendig wäre auch den ganzen Tag, bis er sich wieder einigermaßen zurechnungsfähig für die Staatsgeschäfte fühlen würde.
»Oder eine Stiftung für begabte Künstler, die es trotzdem nie zu etwas bringen werden?«
»Oder das«, wiederholte der Willkürherrscher, der sich mit den Inhalten von Amanus Sätzen nicht wirklich näher beschäftigte, sondern nur die Wörter und Satzgefüge wahrnahm, die ihn in ihrer Materialität umgaben.
»Was hat denn die Frau von Fürchtedich IX. gemacht?«, fragte Amanus neugierig und malte mit dem Schaum ein zweites Herz, das sich mit dem ersten Herz auf des Willkürherrschers Brust verschränkte.
»Nichts«, verknappte der Willkürherrscher seine Antwort auf ein Minimum.
»Gar nichts?«
Amanus richtete sich ungläubig auf. Der Willkürherrscher erahnte, dass es sich lohnen könnte, die Augen zu öffnen und freute sich, als er Recht behielt und genau auf Amanus Brüste schaute.
»Er hatte keine Frau.«
»Wie schlimm!«
Amanus war entsetzt.
»Und wer hat ihm dann gekocht?«
Der Willkürherrscher schloss seine Augen wieder, und ließ sich mit seiner Antwort Zeit.
»Die Köche hier.«
»Und gebügelt?«
»Die Hilfskräfte des Willkürherrschaftlichen Staats.«
Amanus legte sich zurück neben den Willkürherrscher und legte ihren Kopf an seinen.
»Und wer hat ihn geliebt?«
Der Willkürherrscher atmete ein Mal tief ein und überlegte.
»Irgendwelche Damen, nehme ich an.«
»Das ist doch kein Leben?«, wunderte sich Amanus.
»Ach, na ja«, kam es leise aus dem Willkürherrscher raus.
»Warum hatte er wohl keine Frau?«, ließ das Thema Amanus nicht in Ruhe.
Der Willkürherrscher reagierte nicht, sondern streichelte nur Amanus‘ nackte Beine.
»Um so besser eigentlich!«, stellte sie fest, »dann werde ich nicht an einer Vorgängerin gemessen. Also, welche Stiftung soll ich als Frau des Willkürherrschers …«
»Als Willkürherrscherin!« verbesserte sie der Willkürherrscher.
Amanus kicherte.
»Als Willkürherrscherin«, verbesserte sie sich nun selbst, »welche Stiftung soll ich da ins Leben rufen?«
Der Willkürherrscher gähnte müde, versuchte aber aktiv am Gespräch teilzunehmen.
»Vielleicht die Stiftung gegen den Bohnenschnaps von Fürchtedich IX.«, schlug der Willkürherrscher vor.
»Oder eine Stiftung gegen die Willkür vom Willkürherrscher?«
»Eine Stiftung gegen die Willkür des Willkürherrschers.«
»Das hab ich doch grad gesagt«, wunderte sich Amanus, dass der Willkürherrscher sie einfach nur wiederholte.
»Nein, es heißt Willkür des Willkürherrschers, weil es ja Genitiv ist: wessen Willkür? Die Willkür des Willkürherrschers.«
»Aber alle sagen doch die Willkür vom Willkürherrscher?«
»Ja, aber alle sprechen dementsprechend auch nicht wirklich schön. Eine Stiftung gegen die Willkür vom Willkürherrscher würde ich dir leider nicht erlauben.«
»Dann eben eine
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