Willküra (German Edition)
diskret?«
»Keine Sorge«, hatte er geantwortet, froh, dabei nicht gestottert zu haben vor Aufregung, und von da an war er diskret geblieben. Bei allem, was sie von ihm verlangt hatte.
Er hatte niemandem etwas davon erzählt, dass sie miteinander ausgegangen waren. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal.
Er hatte niemandem etwas davon erzählt, dass sie eine Beziehung führten.
Er hatte niemandem etwas davon erzählt, dass sie Angst hatte, dass eine Hochzeit sie nicht zu gleichberechtigten Partnern machen würde, sondern sie einfach nur zu seiner Frau, und das wäre ihr zu wenig.
Er hatte niemandem etwas davon erzählt, dass sie deshalb einen Plan ausgearbeitet hatte, der vorsah, dass
a) er von seinem Amt zurücktreten sollte,
b) er in der Folge ihren Bruder zum Willkürherrscher ernennen sollte. Alle würden überrascht sein, aber keiner würde es groß hinterfragen, denn keiner wisse ja von ihrer Beziehung, und vor dem Volk müsse in einer Willkürherrschaft ja keiner Rechenschaft ablegen,
c) er kurz vor seinem Rücktritt einen Vertrag mit WED eingehen sollte, weil WED dafür sorgen würde, dass das Volk mit dem neuen Willkürherrscher prima einverstanden und sehr zufrieden sein würde,
d) ihr Bruder durch die Aktivitäten von WED, also der Zufriedenheit des Volkes, total zermürbt werden würde. Und um die Details, wie und was genau WED da machen würde, bräuchten sie sich ja nicht kümmern, nur um die Ergebnisse der Hirnmessung ihres Bruders, die WED auch vornähme, sobald er im Amt wäre, denn auf Grundlage dieser Hirnmessung würde ein Bild seines Zermürbungsgrad entstehen, von dem sie dann ganz einfach ablesen könnte, wann er emotional kurz vorm aktiven Rücktritt stünde,
e) da ihr Bruder sehr ehrgeizig sei, und das Amt des Willkürherrschers gut würde ausfüllen wollen, was ja mit einer völligen Zufriedenheit des Volkes unmöglich wäre, würde er also früher oder später aufgrund dieser immer weiter fortschreitenden Zermürbung zurücktreten, dafür kenne sie ihn gut genug, und dann müssten sie bereit sein,
f) in der logischen Schlussfolge würde nämlich ihr zurücktretender Bruder sie zur neuen Willkürherrscherin ernennen, denn eine andere Person stünde ihm nicht nahe genug,
g) am Ende würde sie als neue Willkürherrscherin den alten Willkürherrscher, also ihn, ehelichen, und sie würden dann endlich gemeinsam als gleichberechtigte Partner regieren, und könnten froh und glücklich sein bis an ihr Lebensende.
Er hatte niemandem etwas davon erzählt, dass er das zwar für einen ziemlich großen Umweg hielt, er ihr aber jeden Wunsch erfüllt hätte.
Niemandem hatte er von all dem erzählt.
Der Einzige, der zumindest wusste, dass die beiden zusammen waren, war sein Bruder.
Fürchtedich IX. zupfte jetzt noch ein bisschen aufgeregter an den Bohnen, denn er hatte nun doch noch eine Möglichkeit gefunden, mit der Situation umzugehen. Es war zumindest eine Hoffnung.
Er ließ die Bohnen los, ging eilig zurück zum Arbeitstisch und versuchte, seinen Bruder zu erreichen.
»Wenn Ihre Nachricht mindestens so wichtig ist, wie ich es bin, dann lassen sie sie da«, hörte Fürchtedich IX. die Stimme seines Bruders.
»Hier ist Fürchtedich IX., Bruder, melde dich, so schnell du kannst, die Schwester des Willkürherrschers ist gefährlich, Bruder.« Er schluckte. »Ich habe Schlimmes herausgefunden: sie hat einen Pakt mit General Faulidös, das weiß ich von deinen Fotos, Bruder. Und ich habe ihr unwissentlich bei allem geholfen, was sie vorhat, Bruder. Sie wird den Willkürherrscher zum Herrschertreffen schicken, Bruder. Das müssen wir verhindern, denn auch wenn ich ihr dazu geraten habe, ihn dorthin zu schicken, das geschah doch unter anderen Vorzeichen, weil er doch jetzt verliebt ist und seine Hirndaten von WED zeigen, dass die Zermürbung dadurch aufgehalten worden ist, Bruder.«
Fürchtedich IX. fuhr sich hektisch mit der rechten Hand über seine Stirn und durch seine Haare und sprach immer schneller, hektischer und höher.
»Das würde ja dann unseren Plan kaputt machen, den von der Schwester des Willkürherrschers und mir, dass sie bald Willkürherrscherin wird und wir dann heiraten, und wir dann beide gleichberechtigte Willkürherrscher sind und es für uns perfekt wird, aber es gibt ja scheinbar gar keinen unseren Plan, Bruder. Sie hat einen Plan mit General Faulidös, und ich habe keine Ahnung, was hier alles passieren wird, wenn der Willkürherrscher von hier weg geht zum
Weitere Kostenlose Bücher