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Willküra (German Edition)

Willküra (German Edition)

Titel: Willküra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Hodinka
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diesen behäbigen Machtapparat. Und sie verstehen es nicht, und denken, er meine es doch nur gut mit ihnen. Aber jetzt ist nicht der Moment, sich über geheuchelte Volksnähe und das Volk zu echauffieren.« Sie begann, alles in der Tasche zu verstauen, die am Rollstuhl angebracht war. »Das hier kann sich übrigens einer von euch nachher mit nach Hause nehmen. Ich hab so ein Paket schon.«
    Sie wies mit einem Winken der rechten Hand auf die Griffe ihres Rollstuhls, damit sie losgeschoben würde, denn sie konnte ihren großen Auftritt kaum erwarten.
    »Dr. Triddl!«, bestimmte sie, er packte die Griffe und schob los, und Jamel trottete halbherzig hinterher.
    Wenn die Schwester des Willkürherrschers ihren Aufmarsch gegen den Willkürherrscher von außen hätte betrachten können, sie hätte es sicherlich verbieten lassen, davon auch nur einen Kupferstich anfertigen zu lassen. Vom Großen Marsch aufs Schloss, wie sie sich das anfangs vorgestellt hatte, war das hier weit entfernt. Eine Frau wurde im Rollstuhl geschoben und versetzt dahinter ging lustlos ein Mann in Guerillakostümierung. Bestimmt hätte sie nicht gewollt, dass so etwas in die Geschichtsbücher des Willkürherrschaftlichen Staates käme.
    »Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe das Gefühl, wir kommen ungelegen«, versuchte Jamel seinen Unmut mit den anderen beiden zu teilen.
    »Jamel, dein Mund ist für was anderes besser gemacht als für reden, glaub mir.«
    Die Schwester des Willkürherrschers zog dreckig lächelnd eine Augenbraue hoch und verfluchte gleichzeitig mal wieder die Tatsache, dass man als Einzelperson zwar durchaus etwas bewirken konnte, ja in jedem Moment, wo man überhaupt etwas tat, bewirkte man ja eigentlich schon etwas, aber wenn man ein eindeutiges Ziel hatte, das man umsetzen wollte, also das Große erreichen, dann musste man die Hilfe anderer in Anspruch nehmen. Das Schlimme daran war, dass, egal wie sorgfältig man sich diese Hilfsleute aussuchte, sie blieben doch immer nur eine Auswahl der zur Verfügung stehenden Personen, und nie wirklich die am Reißbrett erdachten Wunschkandidaten.
    Wunschkandidaten hatten möglichst nicht im letzten Augenblick noch eigene Ideen und Meinungen. Wunschkandidaten machten im dem Moment, wo es darauf ankam, genau das, was sie tun sollten, und bekamen nicht unerwartet eine irrationale Fehlermeldung im Hirn, die sie unfähig werden ließ, im Sinne des gesetzten Ziels weiter zu machen. Wunschkandidaten hielten nicht auf. Wunschkandidaten gab es hier in diesem Staate einfach nicht, war ihre letzte Feststellung zu dem Thema, das sie jetzt Beiseite schob, da es sie ohnehin bald wieder beschäftigen würde. Wahrscheinlich sogar schon, sobald Jamel das nächste Mal seinen Mund aufmachen würde.
    »Hier werden sie ja dann wohl irgendwo sein«, sagte die Schwester des Willkürherrschers immer vorfreudiger. »Seid ihr bereit?«
    Dr. Triddl nickte, Jamel zuckte, sich seinem Schicksal hingebend, gleichgültig mit der Schulter.
    »Gut. Dann geht es jetzt los.«
    Sie warf ihren Kopf in den Nacken, schloss die Augen, schüttelte ihre Haare, holte tief Luft, öffnete ihre Augen wieder und wurde übermäßig laut und panisch.
    »Willkürherrscher! Willkürherrscher, wo bist du? Ich konnte gerade noch das Schlimmste abwenden. Es passieren schreckliche Dinge in der Stadt. Willkürherrscheeeeeeeeeeer!!!«
    Das letzte »e« stieß sie in einem so hohen Frequenzbereich aus, dass Dr. Triddl Schwierigkeiten hatte, seine Contenance zu wahren, und Jamel sich die Ohren zuhielt. Dennoch unterbrachen sie ihren Gang zum Willkürherrscher nicht.
    »Willkürherrscher, Willkürherrscher. Schnell, wo bist du denn? Es ist schlimm!«
    Sie kamen zum Sprudelbad-Raum, und als sie in der offenen Tür standen, sahen sie, wie sich Amanus hektisch ihr Negligee überstreifte, und der Willkürherrscher gerade seine Pyjamahose hochzog, so dass nur eine Ahnung dessen übrig blieb, was vor wenigen Sekunden noch frei zu sehen gewesen sein musste.
    »Was ist denn los?«, fragte er mürrisch, denn er war eigentlich immer noch nicht in der Lage zu ernsthaften Gesprächen. »Egal, wie wichtig es ist, ich kann jetzt einfach nicht.«
    »Fragst du nicht mal, wieso ich im Rollstuhl sitze?«, fragte die Schwester des Willkürherrschers beleidigt.
    Der Willkürherrscher nahm erst jetzt, wo sie ihn darauf hingewiesen hatte, wahr, dass seine Schwester im Rollstuhl saß.
    »Ich kann noch nicht«, sagte er fahrig.
    »Willkürherrscher, du bist in Gefahr!«,

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