Willst du dein Herz mir schenken
Umbau war beschlossene Sache – die Burg verloren, daran konnte auch der Graf nichts ändern.
Niedergeschlagen stand sie auf, zog sich an und ging dann sie zu ihren Eltern in den Blumenladen, um ihnen einen »Guten Morgen« zu wünschen.
»Gehst du heute noch zu deinen Vorlesungen? Bald sind Prüfungen«, erinnerte sie ihr Vater, während er ein paar Kisten Nelken aus dem Kühlraum holte.
»Ja, ich fahre gleich los. Ich muss noch eine Menge aufholen, ich habe durch die Arbeit in letzter Zeit sehr viel verpasst.«
Gerade im Sommer fanden an jedem Wochenende Veranstaltungen statt, die Teresa für die Eventagentur EVA organisierte und bei denen sie dann anwesend sein musste, so dass sie kaum zum Lernen kam. Und unter der Woche nahm die Organisation dieser Veranstaltungen extrem viel Zeit in Anspruch, was zur Folge hatte, dass sie immer wieder Vorlesungen oder Seminare nicht besuchen konnte.
»Du musst dich mehr auf dein Studium konzentrieren, Teresa«, mischte sich ihre Mutter ein. »Das ist deine Zukunft. Du wirst Kunsthistorikerin oder Geschichtsprofessorin, das sollte auf deiner Liste als Allererstes stehen. Der Job ist Nebensache.«
»Ich weiß, aber bald ist der Job sowieso ganz weg und ich muss mir einen neuen suchen.«
»Was meinst du?« Ihre Eltern sahen erstaunt auf.
Teresa setzte an, um ihnen von den unschönen Neuigkeiten zu berichten, doch in diesem Moment klingelte ihr Handy erneut.
Wieder war es der Graf.
»Ich habe eine andere Idee. Wir gehen in den Hungerstreik. Zusammen schaffen wir das, das wird nicht leicht, aber wir können uns gegenseitig unterstützen und in den letzten Momenten im Arm halten, falls es so weit kommen sollte.«
Teresa verließ den Laden, damit ihre Eltern nicht sahen, dass sie schon wieder errötete.
»Nein, auch das ist keine so gute Idee. Ich will nicht in Ihren Armen sterben. Das interessiert doch niemanden, ob wir verhungern.«
»Ich denke schon.«
»Ich denke nicht. Wir müssen uns damit abfinden. Ich suche mir einen neuen Job und Sie sich eine neue Unterkunft.«
»Und was ist mit der Burg als historisch wertvolles Gebäude? Und mit Ihren Erinnerungen? Was ist mit Ihrem ersten Kuss auf dem Burgberg? Wollen Sie das ganz vergessen, wenn es den Wald nicht mehr gibt?«
»Das Leben geht weiter.«
Teresa legte auf. Sie erkannte sich selbst nicht, dass sie solche harten Worte sprach, aber sie wollte heute mit dem Grafen nicht weiter darüber diskutieren. Nicht nur, weil sie ihn und ihren Traum aus ihrem Kopf verdrängen wollte, sondern weil sie jetzt auch keine Zeit dafür hatte. Sie musste tatsächlich schleunigst losfahren. In wenigen Minuten begann ihr Seminar.
Teresa kam zu spät. Der Seminarraum in der Universität in der Stadt war vollgepackt mit Studenten und Studentinnen, die aufmerksam einem kleinen Professor mit Glatze lauschten, der neben einem Diaprojektor stand und mit dünner, näselnder Stimme von den bevorstehenden Prüfungen berichtete.
»Teresa! Hier!« Eine gedämpfte, helle Frauenstimme rief Teresa leise von der Seite. Teresa drehte sich zur Stimme um. Es war Claudia.
Sofort schlich Teresa zu ihrer Freundin und setzte sich auf einen leeren Stuhl neben ihr, den Claudia extra frei gehalten hatte.
»Du hast das Schlimmste zum Glück verpasst«, flüsterte die Freundin. »Er wird alles abfragen, was er in den vergangenen Wochen jemals gesagt hat. Wer nicht da war, hat Pech gehabt, hat er gesagt.«
»Wirklich?« Teresa wurde übel.
»Wirklich. Wir müssen uns die Notizen aller Stunden zusammentragen, damit wir alles lernen können. Das kann Wochen dauern.« Claudia stöhnte auf bei dem Gedanken.
Das hatte Teresa gerade noch gefehlt. Sie konnte es sich gerade überhaupt nicht leisten, auch noch ihr Studium zu versauen. Sie seufzte leise, als plötzlich ihr Handy abermals begann zu klingeln. Der winzige Professor unterbrach ungehalten seine Rede, um den Störenfried ausfindig zu machen. Mehrere Studenten drehten sich genervt nach Teresa um. Diese nahm kurzerhand ihr Handy und schaltete es kopfschüttelnd aus. Sie hatte schon gesehen, dass der Anrufer wieder der Graf war.
»Wer war das?«, flüsterte Claudia neugierig, als sowohl Professor und Studenten wieder zur Tagesordnung übergegangen waren.
»Ach, nur so ein Verrückter«, wich Teresa aus.
»Was für ein Verrückter?«
»Der wohnt jetzt in der Burg.«
Wieder drehten sich ein paar Studenten nach Teresa um, um ihr damit anzudeuten, dass sie ihr Flüstern missbilligten. Daraufhin
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