Willst du dein Herz mir schenken
schwieg sie lieber.
Nach dem Seminar ließ sich Claudia jedoch nicht mehr hinhalten, so dass Teresa ihr tatsächlich alles vom Grafen erzählte. Claudia hörte ihr mit hochgezogenen Augenbrauen zu, während beide Frauen auf dem Gang des Universitätsgebäudes dem Ausgang entgegen liefen.
»Ein echter Graf?«, fragte Claudia schließlich beeindruckt.
»Ich weiß nicht. Er ist sehr seltsam und geheimnisvoll. Sein Großvater gehörte zum Personal der Fürsten auf der Burg und seinem Vater gehörte eine Insel vor Dänemark. Er ist eine echte Nervensäge und ziemlich arrogant.«
»Sieht er gut aus?«
Teresa dachte wieder an ihren Traum und wehrte schnell ab. »Nein. Außerdem ist er verrückt. Er will sich ans Burgtor ketten oder in Hungerstreik treten, um die Burg zu retten.«
»Das zeigt nur, dass er Fantasie hat und Leidenschaft. Das ist doch toll. Ist er groß? Blond oder dunkelhaarig? Welche Augenfarbe hat er?«
Teresa schüttelte den Kopf. »Er interessiert mich nicht.«
»Wie alt?«
Teresa versuchte wieder abzulenken. »Denkst du, wir kriegen die ganzen Unterlagen für die Prüfung zusammen?«
»Keine Ahnung. Also: Wie sieht er aus?«
»Wir könnten den Professor selbst fragen, ob er uns die ganze Literatur nennt, dann denkt er vielleicht, dass wir uns für alles sehr interessieren und hilft uns. Oder was meinst du?«
Claudia wirkte jedoch nicht, als würde sie sich auch nur im Entferntesten für die bevorstehenden Prüfungen interessieren, so dass Teresa schließlich stehenblieb. »Okay. Er ist ungefähr Dreißig, hat dunkle Haare und dunkle Augen. Und: Ja, er sieht gut aus. Sehr gut sogar.«
Plötzlich ertönte hinter Teresa eine männliche Stimme.
»Hallo.«
Wie vom Blitz getroffen drehte Teresa sich um. Direkt hinter ihr stand der Graf und lächelte sie an. »Ich wollte Sie nicht erschrecken, aber ich glaube, Ihr Handy funktioniert nicht.«
Teresa spürte, wie ihr gesamtes Blut den Körper verließ und Richtung Kopf strömte. Sie hatte das Gefühl zu glühen.
»Was wollen Sie hier?«
»Ich habe eine richtig gute Idee wegen der Burg. Ich gebe zu, dass die anderen Einfälle heute nicht so besonders pfiffig waren, aber diese Idee ist wirklich gut. Und da jede Sekunde zählt und ich Sie nicht erreichen konnte, bin ich hergekommen. Sie hatten erzählt, dass Sie hier studieren.«
Teresa versuchte, ihren Blutkreislauf wieder in den Griff zu bekommen.
»Wie lange standen Sie denn schon hier?«
»Nicht sehr lange«, antwortete der Graf vage. »Ich konnte jedenfalls nicht hören, worüber Sie gesprochen haben«, fügte er schnell hinzu, doch Teresa konnte sehen, dass er nicht die Wahrheit sagte. Sein Blick war auf einmal viel zu verlegen.
Erneut spürte Teresa ihr Blut Richtung Kopf strömen. Hilfesuchend drehte sie sich zu ihrer Freundin um, doch Claudia lächelte nur aufmunternd.
»Kommen Sie nun mit?«, fragte der Graf.
»Wohin?«
»Ich erkläre Ihnen alles im Wagen.«
Er schob Teresa sanft Richtung Ausgangstür, wo sie einen schwarzen Wagen erblicken konnte, der auf der Straße auf sie zu warten schien. Auf dem Fahrersitz saß ein Chauffeur.
»Ist das Ihr Auto?«, fragte sie erstaunt.
»Ja. Ich war heute schon bei der Bank und konnte dort endlich meine Finanzgeschäfte tätigen. Also, bitte steigen Sie ein.«
Teresa sah sich noch einmal zu Claudia um, die jedoch nur ihre Daumen nach oben streckte, um anzuzeigen, dass sie alles völlig in Ordnung fand und sich für Teresa freute. Dann stieg Teresa tatsächlich in die schwarze Limousine. Der Graf ließ die Tür hinter ihr zufallen. Dann ging er zur anderen Seite des Wagens und stieg ebenfalls ein.
DIE HÖHLE DER LÖWIN
»Ihr Männer habt doch keine Ahnung! Keine Ahnung von Harmonie. Dass die Menschheit diesseits des Äquators in Häusern und zivilen Räumen lebt, in sauberen Betten schläft und mit Messer und Gabel isst, ist mit Sicherheit der Verdienst von Frauen. Gäbe es nur euch Männer, würden wir immer noch in Höhlen hausen!«
Die Stimme von Juliane von Schöne schallte unüberhörbar schrill über den Weg am See, ließ Jogger, Spaziergänger, Hunde und Hundebesitzer, die an diesem frühen Morgen bereits ihre Runde um den nierenförmig geformten See am Rande der Stadt drehten, gleichermaßen aufhorchen und sogar im Lauf verharren, und schreckte schließlich einen ganzen Schwarm Enten auf, der sich in der Nähe des Gasthauses in der Morgensonne schlafend gesonnt hatte.
Eigentlich war der See um diese Uhrzeit eine
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