Willst du dein Herz mir schenken
Wolkendecke entwickelt. Die Sonne war verschwunden, aber bisher blieb es trocken.
Eine halbe Stunde später kamen die ersten Wagen der Gäste auf den Hof gefahren. Auf der Treppe stand Teresa mit einem Tablett mit Sektgläsern und reichte jedem Ankömmling ein Glas. Christopher versorgte sie immer wieder mit Nachschub, wobei er jedoch nichts Persönliches mit ihr sprach, auch sein Gesichtsausdruck war immer noch nicht wieder aus seiner Versteinerung erwacht. Aber das konnte Teresa ihm auch nicht übel nehmen. Sie hatte ihm wirklich Unrecht getan mit ihrem Misstrauen und den üblen Verdächtigungen. Als der Hof schließlich voller Gäste war, die Sekt tranken und auf das Wohl des Paares anstießen, ging Teresa wieder hinein und gab Anweisungen für den Beginn des Mittagsmahles. Zuerst die Suppe, dann wahlweise Wildschweinbraten, Fischfilet oder Kalbsragout. Als Nachtisch gab es Mousse au Chocolat, drei verschiedene Eissorten und Erdbeercreme.
Es war eine nette und lustige Hochzeitsgesellschaft. Nach dem Schreck vom frühen Morgen hatten sich alle gut erholt und kamen vergnügt plaudernd in den Salon, setzten sich auf ihre Plätze oder gingen in Gruppen auf die Terrasse, um eine Zigarette zu rauchen. Die Braut sah einfach umwerfend aus. Mittlerweile war sie vollständig geschminkt und trug ein atemberaubendes Kleid aus weißem Satin. Ihre langen Haare hatte sie aufgesteckt, nur ein paar einzelne Locken umrahmten ihr glücklich strahlendes Gesicht. Der Bräutigam wich ihr kaum von der Seite, auch ihm war anzusehen, dass er seine Entscheidung noch nicht eine Sekunde bereut hatte. Als das Essen in den Salon gebracht wurde, setzten sich schließlich alle hin, nur der Brautvater eilte noch einmal hinaus, um den Fotoapparat zu holen, der von der Trauung noch im Auto lag.
Inzwischen hatte sich der Himmel völlig verdunkelt, in der Ferne konnte man das Rollen eines Donners hören. Es war völlig windstill draußen. Die Ruhe vor dem Sturm. Als die Suppe serviert war, wollten die Gäste gern beginnen, doch ein Gast fehlte: der Brautvater.
»Er wollte nur den Fotoapparat aus dem Auto holen«, sagte die Braut. »Er wird gleich kommen, dann können wir anfangen.«
Doch er kam nicht. Ein paar einzelne Gäste kosteten heimlich die Suppe und machten ein stilles »hmm«, aber der Rest wartete.
»Er wollte eine kleine Rede halten vor dem Essen«, erinnerte die Brautmutter, aber die Suppe wurde kalt, ohne dass Dieter Langmuth wiederkam.
Teresa ging nach draußen, um am Auto nach ihm zu rufen, aber der Brautvater war nicht am Wagen. Er war nirgends zu sehen. Sie hoffte, dass auch er wie Christopher wohlbehalten wieder auftauchen und an seinem Platz sitzen würde, aber er tat ihr den Gefallen nicht. Draußen wurde es immer ungemütlicher. Blitze zuckten über den Himmel, das Donnern kam immer näher. Einzelne Böen fegten loses Laub und Äste über den Boden. Nicht mehr lange, dann würde der Gewittersturm mit Regen losbrechen.
Als die Suppe völlig kalt war, standen mehrere Gäste auf. »Er muss am Auto sein, wo denn sonst«, sagte die Braut mit einem unruhigen Blick. »Vielleicht hat er den Schlüssel verloren und sucht ihn.« Weitere Vermutungen wurden geäußert, was passiert sein könnte, die von Entführung bis Flucht auf die Seychellen reichten, doch schließlich ging die gesamte Hochzeitsgesellschaft hinaus, um auf dem Parkplatz nach dem Vater der Braut zu suchen. Er befand sich nicht am Auto, allerdings lag die Kamera auch nicht mehr im Wagen. Er war also hier gewesen, hatte nur den Weg zurück in die Burg nicht gefunden.
»Papa«, rief die Braut, »Dieter« riefen seine Frau und die meisten Gäste, während sie ausschwärmten und nach ihm suchten.
Der Sturm wurde immer heftiger, die Blitze kamen immer häufiger. Wenn der Donner rollte, waren nicht einmal mehr die Rufe zu verstehen. Die Gäste liefen durch den Wald auf dem Burgberg, stets rufend und nach dem Brautvater Ausschau haltend. Die ersten Tropfen fielen schließlich schwer auf das Laub der Bäume, nur wenige Augenblicke später prasselte der Regen mit Wucht hernieder. Als wären die Elemente entfesselt, tobte das Gewitter über der Burg. Manche Gäste gaben auf und eilten zurück in die trockenen Gemäuer, aber die Braut lief unbeirrt weiter. Ihr teures Kleid schleifte über den Waldboden, fing sich in den Wurzeln, so dass es riss. Als sie schließlich unten am See ankam, auf dessen Oberfläche der Regen klatschte, sah sie eine aufrechte Figur im Anzug in
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