Willst du meine Liebe nicht
Trennung wieder gefunden haben.”
“Das wäre schön”, willigte sie ein.
War es überhaupt möglich, mit einem Mann befreundet zu sein, der eine so starke sinnliche Ausstrahlung besaß, dass ihr Herz in seiner Nähe zu rasen begann? Julie hatte ihn nie attraktiver gefunden als in diesem Moment.
“Man mag sich vielleicht nicht immer erinnern wollen”, nahm er den Faden wieder auf, “aber oft hat man darauf keinen Einfluss.”
“Das stimmt.”
Die Dämmerung war hereingebrochen, und überall flammten Lichter auf. Leuchtreklamen über Geschäften, Lampen in Wohnungen, bunte Lichterketten in Straßencafes, Kerzen auf den Tischen der Restaurants. Und alle Sehenswürdigkeiten wurden von Scheinwerfern angestrahlt.
Julie bewunderte die Engelsburg, die sich majestätisch am Ufer des Tibers erhob, und den Petersdom am Ende der Via della Conciliazione. Ihr stockte der Atem angesichts dieser einmaligen Baudenkmäler.
Später verließen sie das Zentrum und fuhren gemächlich bergan, bis sie eine kleine Gaststätte erreichten, deren Tische unter freiem Himmel gedeckt waren. Der Wirt erwartete sie bereits und geleitete sie zu einem Tisch an einem hölzernen Geländer, von dem aus sie einen traumhaften Blick über die ganze Stadt hatten.
Der Tisch war für zwei Personen gedeckt und die Weinflasche entkorkt. Julie erkannte, dass Rico sich mit den Vorbereitungen für diesen Abend viel Mühe gegeben hatte.
“Auch das habe ich dir versprochen.” Er rückte ihr den Stuhl zurecht.
“,Wir werden Nektar trinken und mit den Göttern speisen’”, zitierte sie versonnen. “,Und Rom wird uns gehören.’”
“Als ich das sagte, dachte ich an diesen Ort.” Rico nahm ihr gegenüber Platz. “Als ich noch ein Junge war, bin ich oft hierher gelaufen. Ich wollte die Aussicht genießen und mich wie ein Kaiser fühlen. Was ist?” fügte er stirnrunzelnd hinzu, als ein Schatten über ihr Gesicht huschte.
“Nichts”, behauptete sie rasch.
“Heraus mit der Sprache.”
“Es ist nur … Ich habe ein sonderbares Gefühl, wenn du von deiner Kindheit redest. Es erinnert mich daran, dass das, was du mir früher erzählt hast, eine … dass du manches ausgelassen hast.”
“Dass es eine Lüge war.” Er benutzte das Wort, das sie vermieden hatte.
“So habe ich es nicht gemeint. Es war allerdings schockierend, feststellen zu müssen, dass alles, was ich von dir geglaubt habe, einfach nicht stimmte. Genauso gut hätte ich entdecken können, dass du nur ein Geist bist.”
“Ich war damals so unreif”, räumte er ein. “Es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass meine harmlosen Schwindeleien - so habe ich es gesehen - nichts als Unehrlichkeit waren.”
“Warum bist du eigentlich nach England gekommen und hast dort so bescheiden gelebt?”
Rico lächelte selbstironisch. “Da ich im Luxus aufgewachsen bin, habe ich dagegen rebelliert. Ich hielt mich für einen großen, unabhängigen Mann und dachte, ich könnte auf den gewohnten Komfort verzichten und meinen Lebensunterhalt selbst bestreiten. Ich dachte, es wäre edel, für ein Trinkgeld zu arbeiten. Natürlich war alles nur ein Spiel. Wäre ich nicht so jung gewesen, hätte ich das auch gemerkt. Immerhin habe ich dem mächtigen Arturo Forza getrotzt und war stolz darauf. Er war dermaßen wütend, dass er mir jegliche finanzielle Unterstützung entzogen hat, was ich wiederum für ein fabelhaftes Abenteuer ansah.”
“Du wusstest demnach, wie er war?”
“Vermutlich schon”, erwiderte er nachdenklich. “Das Gespräch mit dir hat viele, längst vergessene Erinnerungen zurückgebracht. Er konnte voller Güte lächeln und dabei hinter den Kulissen die Fäden ziehen. Er pflegte stets zu sagen: ,Einst haben die Römer die Welt mit militärischer Stärke regiert, heute gibt es andere Methoden.’
Wann immer ich Zuneigung brauchte, habe ich sie bei unserer Köchin gesucht. Ich habe dir von ihr erzählt. Ich nannte sie Nonna - Großmutter -, weil ich sie liebte. Deshalb habe ich immer so getan, als wäre sie meine richtige Nonna.”
“Das hat also gestimmt?”
“Dass sie mich Kochen gelehrt hat? Ja. Wenn ich bei ihr in der Küche war und von meinen kindlichen Sorgen berichten konnte, war ich glücklich. Bis zum heutigen Tag gibt es gewisse Gerüche, wie Knoblauch und Paprika, die mir ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln.”
Seine Augen leuchteten bei dem Gedanken daran. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft erlebte Julie ihn völlig entspannt und
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