Willst du meine Liebe nicht
heiter.
“Selbstverständlich missbilligte Großvater, dass ich so viel Zeit mit einer ,Dienerin’ verbrachte”, fügte er trocken hinzu. “Ich wollte unbedingt seiner engstirnigen Welt entrinnen. Genau genommen war es Nonnas Idee. ,Geh irgendwohin, wo die Luft sauberer ist’, sagte sie zu mir. So kam ich nach London, nahm jeden Job an, den ich finden konnte, und fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben frei und glücklich. Und dann …”
“Stopp”, unterbrach ihn Julie. “Sag nicht mehr.”
Er verstand sie auch ohne viele Worte. Jede Erwähnung ihres Glücks würde unweigerlich die Sprache auf den Schmerz bringen, und daran wollte sie jetzt nicht erinnert werden. Und er auch nicht. Er wollte lieber ihr im Kerzenschein strahlendes Gesicht betrachten.
Der Wirt erschien und servierte Stracciatella, eine Hühnerbrühe mit Ei, Parmesan und dem gewissen Etwas.
Julie probierte einen Löffel von der Suppe. “Das ist ja …”
“Das erste Gericht, das ich je für dich gekocht habe”, meinte er lächelnd. “Und du hast gesagt, du seist gestorben und geradewegs im Himmel gelandet. Warte, bis der nächste Gang kommt.”
“Lass mich raten. Die Köstlichkeit, die du nach unserem ersten Streit …”
“Wir haben nie gestritten”, behauptete er prompt. “Wir hatten lediglich unbedeutende Missverständnisse, an denen allein ich schuld war. Aber beim ersten Mal habe ich etwas ganz Besonderes zubereitet, um dir meine Zerknirschung zu beweisen.”
“Makkaroni mit Schinken und Ei. Hast du am Ende …?”
“Ich habe ein ganz individuelles Menü zusammengestellt, von dem ich hoffe, dass es dir schmeckt.”
Sie war gerührt von so viel Fürsorge, und das exzellente Essen trug zu dem Zauber bei, den er offenbar im Sinn gehabt hatte. Schon bald fühlte sie sich, wie von einem magischen Teppich getragen, in das winzige Apartment zurückversetzt.
Aber diesmal waren es keine traurigen Erinnerungen.
Makkaroni, um sie zu versöhnen, danach ein aromatischer Schmorbraten, weil “ich dich mehr als mein Leben liebe, carissima”
Er hatte sie mit seinen Händen und seinem Körper geliebt, doch er hatte sie auch mit seinen Kochkünsten verführt…
“Du isst Eiscreme wie ein kleines Mädchen”, hatte er beim Dessert festgestellt. “Als wäre es ein Hochgenuss und du würdest fürchten, jemand könnte ihn dir wegschnappen.”
“Als Kind ist mir das ständig passiert. Mein Bruder hat sich alles genommen, was er wollte. Eis essen zu können, ohne mich pausenlos umsehen zu müssen, war tatsächlich ein Hochgenuss.”
Julie dachte an die kleine Eisdiele neben der Pension, in die er sie eines Abends ausgeführt hatte. Während sie über die unzähligen Sorten fassungslos gewesen war, hatte Rico eine geringschätzige Geste gemacht.
“Irgendwann bringe ich dich nach Italien. Nur dort versteht man es, Eiscreme herzustellen”, hatte er geprahlt. “Das hier ist gar nichts. Aber im Moment muss es genügen.”
Mit einem zärtlichen Lächeln hatte er gewartet, bis sie sich zwischen Ananas und Pistazien, Pfefferminz und Schokolade, Erdbeere, Banane - die Liste war endlos - entschieden hatte. Er hatte erst kurz zuvor eine Prämie ausgezahlt bekommen, für die er schwer gearbeitet hatte.
“Rico, das ist das Geld von deinen Überstunden”, hatte sie protestiert.
“Wofür sollte ich es ausgeben, wenn nicht für dich, piccinal”
Als Julie jetzt den Kopf hob, bemerkte sie, dass auch er an diese Szene dachte. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Es war nicht nötig.
“Mein Teller ist leer”, meinte sie schließlich schalkhaft.
“Mal sehen, was sie hier haben.” Er schaute sich vergeblich nach einem Kellner um. “Ich kümmere mich darum.”
Während Rico im Haus verschwand, blickte sie zu der nahe gelegenen Wiese hinüber, wo die carrozza stand. Das Pferd hatte den Kopf in einen Wassertrog gesteckt, und der Kutscher betrachtete die Sterne. Einer spontanen Eingebung folgend, nahm sie ein sauberes Glas, füllte es mit Wein und trug es zu dem Mann.
” Grazie “, bedankte sich der Alte. ” Salute!”
“Salute!’” Sie stieß mit ihm an.
Das Pferd schnaubte leise.
“Er sieht recht alt aus”, sagte sie. “Wie heißt er?”
“Miko. Er ist fast zwanzig und hat sich eigentlich sein Gnadenbrot verdient, aber…” Sein Schulterzucken verriet, dass er es sich nicht leisten konnte, auf den alten Hengst zu verzichten. “Normalerweise arbeitet er nur tagsüber”, fuhr der Kutscher fort. “Mein Cousin sollte
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