Willst du meine Liebe nicht
drei Monate geblieben.”
Drei Monate. Dann würde sie Rom längst verlassen haben.
Die Erkenntnis traf Julie wie eine Ohrfeige.
Ihren abendlichen Auftritt absolvierte sie wie in Trance, aber das Publikum bemerkte nichts und jubelte ihr begeistert zu. Als sie zum Hotel zurückkehrte, stand sie noch immer unter Schock.
Am nächsten Morgen brach sie schon früh auf. Ganz in der Nähe befand sich ein Autoverleih. Sie mietete ein Kabriolett und fuhr los, ohne ein festes Ziel vor Augen zu haben. Ihr war alles recht, um nicht mehr an Rico denken zu müssen.
Bald schon roch die Luft salziger, und vor ihr tauchte das glitzernde Meer auf. Sie verlangsamte das Tempo und betrachtete den schönsten Küstenstreifen, den sie je gesehen hatte. Der goldfarbene Strand wurde von einem Pinienhain gesäumt. Im Schatten der Bäume standen Villen und Bungalows, deren sonnenhungrige Besitzer es sich auf bunten Badetüchern gemütlich gemacht hatten oder im Wasser planschten.
Ein wundervoller Ort, um hier die Ferien zu verbringen, dachte sie, Gary wäre begeistert. Sie streifte die Schuhe ab und wanderte die Wasserlinie entlang. Die zauberhafte Umgebung bot einen wohltuenden Kontrast zu der Welt, vor der sie geflohen war, einer Welt der überreizten Nerven, der quälenden Gefühle und des Verrats.
Sie bemühte sich, nicht allzu intensiv über die Nacht mit Rico nachzudenken, die bereits Lichtjahre entfernt schien. Seine Zärtlichkeit und Leidenschaft hatten sie zu Tränen gerührt, und sie hatte zu hoffen begonnen, dass sie sein Herz erreicht hätte.
Und die ganze Zeit über hatte sein kalter Stolz sie verachtet.
Ein Teil ihres Lebens war zu Ende. Sie hatte mehr um Rico geweint als um sich selbst. Im Lauf der Jahre war ihm alles genommen worden: seine jugendliche Unbekümmertheit, sein Kind, die Großzügigkeit, die ihn so liebenswert gemacht hatte.
Nun hatte er das letzte Überbleibsel aus der Vergangenheit verloren - ihre Liebe. Er hatte sie verloren, weil sie ihm nichts mehr bedeutete.
Während sie am Wasser stand und aufs Meer hinausblickte, traf Julie die bitterste Entscheidung ihres Lebens.
Ich will ihn nicht mehr lieben.
Es würde ihr unendlich schwer fallen, denn sie war stolz auf ihre Liebe gewesen. Sie konnte es sich jedoch nicht leisten, den Mann zu lieben, zu dem er sich entwickelt hatte. Sie hatte mit Arturo Forza um Ricos Seele gekämpft. Und sie hatte verloren.
Am Rand des Strandes fand sie ein kleines Cafe. Es war so gut besucht, dass sie den Tisch mit einer fröhlichen Familie teilen musste. Bald wusste sie, dass das Ehepaar mit seinen Kindern Ferien machte und zu diesem Zweck ein Haus in Fregene - so hieß der malerische Ort - gemietet hatte. Während sie von Gary erzählte, wuchs ihre Sehnsucht nach ihm. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte. Nach einer Weile verabschiedete sie sich von ihren Tischnachbarn und ging hinaus, um Tante Cassie anzurufen.
“Wie schön, dass ich dich erreiche”, sagte sie. “Ich dachte schon, ihr wärt vielleicht unterwegs.”
“Keine Chance”, erwiderte Cassie. “Seit vier Tagen regnet es ununterbrochen. Gary ist zwar sehr brav, aber langweilt sich zu Tode. Hier ist er.”
“Hallo, Mommy. Hast du viel Spaß?”
“Ich bin hier nicht auf Urlaub, mein Schatz, sondern muss arbeiten.”
“Ich wünschte, du würdest nicht immer so weit weg arbeiten.”
Das Herz wurde ihr schwer. “Ich werde nie wieder weggehen”, versprach sie. “Nach diesem Engagement bleiben wir zusammen.”
“Ich vermisse dich, Mommy.”
“Ich dich auch, Liebling.” Julie hatte eine Idee. “Würdest du gern herkommen und mich sehen?”
“O ja!” Seine Begeisterung bewies, wie sehr er unter der Trennung litt.
Danach sprach sie wieder mit Cassie und erzählte ihr von der spontanen Eingebung. “Der Ort ist ungefähr fünfzehn Meilen von Rom entfernt. Ich kann eine Villa am Strand mieten und euch so oft wie möglich besuchen.”
Ich bin verrückt, dachte sie, als sie das Telefonat beendet hatte. Vielleicht sind gar keine Häuser mehr frei. Außerdem weiß ich nicht einmal, wo man sie mieten kann.
Das Glück meinte es gut mit ihr. Fregene war ein kleiner Ort, und die Agentur, die Ferienunterkünfte vermittelte, war leicht zu finden. Ein kleiner Bungalow war gerade frei geworden, und Julie griff begeistert zu.
Ihre Lebensgeister hoben sich. Noch vor kurzem hätte sie es nicht gewagt, Gary nach Italien und somit in die Nähe von Rico zu holen, aber ihr
Weitere Kostenlose Bücher