Wilsberg 03 - Gottesgemuese
nicht möglich sei, nach Münster zu kommen, sie solle den beiden Männern vertrauen, die sie zu ihm bringen würden. Mit mulmigem Gefühl im Magen stieg sie in das Auto der Schwarzkittel ein. Es wurde eine lange Fahrt, während der kaum geredet wurde. Anja kämpfte gegen eine aufsteigende Panik an. Endlich, auf einem Parkplatz in der Nähe von Emden, waren sie am Ziel. Martin empfing sie in Begleitung von zwei weiteren Schwarzuniformierten. Er versicherte ihr, dass es ihm gut gehe und dass er in wenigen Wochen nach Hause zurückkehren würde. Die Nachforschungen, die sie von diesem Georg Wilsberg anstellen ließe, seien absolut lächerlich.
»Was für einen Eindruck machte er auf dich?«, unterbrach ich ihre Erzählung.
»Er wirkte bedrückt. Nicht so fröhlich und optimistisch, wie vor seiner Englandreise.«
Ich nickte.
»Das war's auch schon fast. Die ganze Unterhaltung dauerte nur eine Viertelstunde. Dabei wurden wir ständig von den vier Typen beobachtet. Mir kam es so vor, als würde Martin in ihrem Auftrag handeln. Und das bestätigte sich auch am Schluss.«
Sie griff in ihre Hosentasche und zog einen Fetzen Papier heraus. »Als wir uns verabschiedeten, drückte er mir unauffällig diesen Zettel in die Hand.«
Sie reichte mir den Kassiber. Ich las: »Sei vorsichtig! Es ist gefährlicher, als du denkst.«
VII
»Entschuldige, dass ich dich so früh wecke!«
Ich schaute auf den Radiowecker. Es war neun Uhr. Ich hatte vergessen, den Wecker einzustellen.
»In diesem Fall ist es wirklich dringend.«
Sigis Stimme hatte einen Tonfall, der mir einen kleinen Adrenalinstoß versetzte.
»Was ist los?«
»Hier sind zwei Herren, die dich sprechen möchten. Ich habe versucht sie abzuwimmeln, aber es ist mir nicht gelungen. Außerdem sehen sie etwas merkwürdig aus.«
»Schwarze Uniformen?«
»Woher weißt du das?«
»Der Orden des Tempels.«
»Ich versteh überhaupt nichts mehr«, sagte Sigi. »Kannst du deiner Sekretärin bitte erklären, welcher Film hier abläuft!«
»Der Orden des Tempels ist die Eliteorganisation der Kirche für angewandte Philosophie. So was wie die Sturmabteilung von Ross Stocker.«
Ich hörte Sigi schlucken. »Die beiden sitzen in deinem Büro. Soll ich die Polizei anrufen?«
»Nein. Ich komme sofort.«
Ich legte den Hörer auf und sprang aus dem Bett. Ich wusste bereits, dass ich die beiden Männer in meinem Büro hassen würde. Wer um neun Uhr morgens Ärger macht, muss zu den Unmenschen gehören.
Ohne einen Tropfen Kaffee gesehen zu haben, kam ich eine Viertelstunde später im Büro an. Sigi wies mit dem Daumen auf mein Arbeitszimmer.
»Komm mit!«, sagte ich. »Ich brauche eine Zeugin.«
Immerhin hatte Sigi einen Frauenselbstverteidigungskurs besucht. Ich dagegen konnte weder Karate, Judo noch sonst etwas Asiatisches, auch besaß ich keine Hieb-, Stich- oder Feuerwaffen, mal abgesehen von einer Spielzeugpistole, die einer echten Beretta zum Verwechseln ähnlich sah.
Die beiden Männer saßen auf den Lederfreischwingern. Sie erhoben sich, als wir eintraten.
»Guten Morgen!«, sagte ich. »Was kann ich für Sie tun?«
»Sie sind Herr Wilsberg?«, fragte der eine, ein kleiner, rundlicher Typ. Auch der andere sah nicht gerade aus wie Sylvester Stallone, was mich ungemein beruhigte.
»Der bin ich«, bestätigte ich und setzte mich hinter den Schreibtisch, die Schublade mit der Spielzeugberetta im Blickfeld. Sigi nahm auf dem letzten noch freien Sessel Platz.
»Können wir uns mit Ihnen alleine unterhalten?«, fragte der Zweite.
»Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Sekretärin«, konterte ich.
»Na schön. Wie Sie wollen.« Das war wieder der Erste. »Sie haben sich in unsere Vereinigung eingeschlichen und verschiedene Mitglieder nach einem gewissen Martin Kunstmann ausgefragt. In wessen Auftrag?«
Ich spielte mit einem Kugelschreiber. »Weiter!«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
»Das werde ich auch nicht. Wenn Sie sonst noch etwas zu sagen haben, dann sagen Sie es jetzt!«
Der Zweite griff in seine Jackentasche und zog ein Blatt Papier heraus. »Hier haben wir eine eidesstattliche Erklärung von Martin Kunstmann. Er versichert darin, dass er sich körperlich und geistig wohlfühlt und sich vollkommen freiwillig in einem Zentrum der KAP aufhält. Außerdem verbittet er sich jede Form der Nachstellung Ihrerseits.«
»Sehr schön«, sagte ich.
»Sie haben in allen unseren Einrichtungen Hausverbot«, platzte der Erste heraus. »Wenn Sie sich noch einmal
Weitere Kostenlose Bücher