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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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hatte, erschrak sie fast wegen ihrer Unhöflichkeit.
    »Darf ich rauchen?«
    »Natürlich.« Ich nahm eine gestopfte Pfeife aus dem Regal. Bei schwierigen Fällen machte sich so etwas gut.
    Das Anzünden, Stopfen und wieder Anzünden der Pfeife gab mir Gelegenheit, sie durch die Rauchschwaden zu mustern. Sie trug einen dunkelgrauen Pullover und darauf eine Goldkette mit Anhänger. An ihrem länglichen Gesicht gab es nichts, was die Regeln der Symmetrie und Schönheit gebrochen hätte. Die Haare wurden von einem Ring zusammengehalten. Sie hatten die Farbe feuchten Sandes, weder blond noch braun, aber von allem etwas. An den Fingern, die nervös über die schwarze Jeanshose strichen, glitzerten Ringe.
    »Was führt Sie zu mir, Frau Kunstmann?«, fragte ich.
    »Ich habe Vertrauen zu Ihnen«, sagte sie.
    Ich guckte sie erstaunt an: »Wieso?«
    Sie lächelte, als hätte sie mich dabei erwischt, wie ich mir versehentlich Zahnpasta in die Haare schmiere. »Das steht in Ihrer Anzeige in den Gelben Seiten: Haben Sie Vertrauen zu mir! «
    Nun musste auch ich grinsen.
    »Oder darf man etwa kein Vertrauen zu Ihnen haben?«
    »Sie dürfen unbegrenztes Vertrauen zu mir haben, Frau Kunstmann. Aber gibt es außerdem noch etwas, was ich für Sie tun kann?«
    Sie sah mich intensiv an. »Mein Mann ist verschwunden. Er war zu einem Kurs in Großbritannien und ist nicht mehr zurückgekommen.«
    »Und Sie haben nichts von ihm gehört?«
    »Nein. Der Kurs sollte zwei Wochen dauern. Eigentlich hätte er vor zehn Tagen wieder zu Hause sein müssen.«
    »Haben Sie sich in Großbritannien nach ihm erkundigt?«
    »Ja. Man sagte mir, er habe den Kurs planmäßig beendet und sei abgereist.«
    Sigi kam herein und stellte ein silbernes Tablett mit zwei Tassen Kaffee auf dem Rauchtisch ab.
    Ich sagte: »Bitte in der nächsten halben Stunde keine Telefonanrufe, Frau Bach!«
    »Selbstverständlich, Herr Wilsberg«, antwortete sie und trat mir dabei absichtlich auf den linken Fuß.
    Ich verzog keine Miene.
    »Waren Sie schon bei der Polizei?«, wandte ich mich wieder an meine potenzielle Klientin.
    »Nein.«
    »Warum nicht? Sie hätten eine Vermisstenanzeige aufgeben müssen.«
    »Ich glaube, ich weiß, wo er ist.«
    Mir schwante Böses. Den Ehemann von der hässlichen Geliebten loszueisen und ihn zu der schönen Ehefrau zurückzubringen, gehörte zu den undankbarsten Aufgaben eines Privatdetektivs.
    »Und wo ist er?«
    Sie nahm einen Schluck Kaffee, um Zeit zu gewinnen. »Das ist eine lange Geschichte, Herr Wilsberg.«
    »Mein Stundenhonorar beträgt fünfzig Mark. Aber nur, wenn ich den Auftrag annehme.«
    »Ja, natürlich. Ich dachte nicht, dass Sie umsonst zu haben sind.« Sie warf mir wieder einen blaugrünen Blick zu.
    »Mein Mann ist Astrophysiker, genauer gesagt: Professor für Astrophysik an der Universität Münster. Ich habe bei ihm studiert. Nach meinem Diplom haben wir geheiratet. Zwei Kinder, ein Reihenhaus in Sprakel, für die Nachbarn sind wir eine glückliche Familie.«
    »Sie brauchen nicht in Steno zu reden, Frau Kunstmann. So viel Zeit muss sein.«
    »Das waren nur die Daten. Das Problem liegt woanders. Es heißt KAP, Kirche für angewandte Philosophie.«
    Ich erinnerte mich dunkel an einen Fernsehbericht. »Diese Sekte?«
    »Ja. Vor drei Jahren kam er mit der KAP in Berührung. Ein Kollege erzählte ihm, dass er durch die KAP den Sinn seines Lebens gefunden habe. Aus Neugierde besuchte mein Mann einen Trainingskurs, dann noch einen und noch einen. Nach einiger Zeit war er ganz begeistert und versuchte mich davon zu überzeugen, dass ich auch Training machen solle. Ich wollte nicht. Ein paar Mal bin ich mit ihm zum Studienzentrum der Kirche gefahren, aber die Leute dort gefielen mir nicht. Die Trainings kosten eine Menge Geld, und Mitglieder werden gedrängt, immer höhere Summen zu spenden. Mir kam das so vor, als ginge es nur darum, den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen. Martin wollte davon nichts hören. ›Ich habe Erfolge‹, sagte er immer wieder. ›Ich bekomme mein Leben besser in den Griff.‹ Angeblich wird man frei von seelischen Leiden und schmerzhaften Erinnerungen, wenn man nur lange genug Training macht. Ich bekam Angst, weil er immer abhängiger von der Kirche wurde. Er begann, sich in allem nach den Vorschriften der Kirche zu richten. Seine Trainingsleiterin sagte ihm, was er zu tun und zu lassen habe. Fast seine ganze Freizeit verbrachte er im Studienzentrum. Ich glaube, er verkaufte sogar Bücher und sprach

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