Wilsberg 03 - Gottesgemuese
dort blicken lassen, werden wir Sie nicht mehr mit Samthandschuhen anfassen.«
»Darüber hege ich keinen Zweifel«, sagte ich. »Aber vielleicht haben Sie die Güte, Ihre Drohung etwas zu konkretisieren.«
»Sie können uns mal!«, sagte der Zweite und warf mir das Schreiben von Kunstmann auf den Schreibtisch. »Wenn es dazu kommen sollte, werden Sie es schon früh genug erfahren.«
Sie gingen grußlos. Sigi und ich blickten uns aufatmend an.
»Schöne Scheiße«, sagte Sigi. »Was machst du jetzt?«
»Ich brauche dringend einen Kaffee.«
Nach der ersten Tasse und einem halben Zigarillo als Brötchenersatz brachte ich Sigi auf den aktuellen Stand im Fall Martin Kunstmann. Am frühen Sonntagmorgen hatten Anja, Kerstin Mierbaum und ich noch lange darüber beratschlagt, was die Botschaft von Martin Kunstmann bedeuten könnte und wie nun weiter vorzugehen sei. Anja bestand darauf, dass ich weitermachte. Sie war der festen Überzeugung, dass ihr Mann inzwischen eine kritische Einstellung zur KAP und nur den richtigen Zeitpunkt für den Absprung verpasst habe. Schließlich willigte ich ein, nach Norderney zu fahren. Wie ich allerdings unbemerkt in das Reha-Zentrum gelangen sollte, blieb mir ein Rätsel. Denn darauf, dass der Professor einsame Strandspaziergänge machen würde, durfte ich nicht hoffen.
»Lass dich bloß nicht erwischen! Ich möchte mir nicht schon wieder einen neuen Job suchen«, sagte Sigi.
»Danke für das Mitgefühl.«
Ich nahm die zweite Tasse Kaffee. »Zu allem Überfluss habe ich noch ein anderes Problem am Hals. Doktor Gross von der Sächsischen macht Druck. Er möchte bis Donnerstag ein Resultat sehen. Andernfalls muss er nämlich dem Juwelier Hagedorn einen Scheck über 500.000 Mark überreichen.«
»Wir haben doch alles versucht. Koslowski und Eger überwachen jeden Schritt von Hagedorn.«
»Aber ohne Erfolg.«
»Na ja, Hagedorn wäre auch schön blöd, wenn er seine Klunker jetzt schon auf den Markt werfen würde.«
»Eben«, sagte ich. »Deshalb muss ich ganz tief in die Trickkiste greifen.«
Sigi guckte mich mit großen Augen an. »Was hast du vor?«
»Lass es mich so sagen: Unser Gewerbe ist ehrbar und anständig, wir halten uns an die Gesetze und erzielen unsere Ermittlungsergebnisse auf völlig legalem Weg. Aber manchmal, ganz selten, müssen wir von dem schmalen Grat zwischen Legalität und Illegalität ein wenig abweichen.«
»Ich glaube, ich muss mir doch einen neuen Job suchen«, sagte Sigi.
»Quatsch. Ich möchte sogar, dass du zuhörst, damit du notfalls bezeugen kannst, dass alles nur ein Trick war.«
Sigi sah mich immer noch seltsam an. Ich bat sie, die vordere Bürotür abzuschließen, damit niemand hereinplatzen konnte. Dann wählte ich die Nummer von Hagedorns Juweliergeschäft. Er war selber am Apparat.
»Herr Hagedorn, Sie werden sich sicher fragen, warum ich mich jetzt erst melde.«
»Wer sind Sie?«, fragte Hagedorn mit einer hohen Altmännerstimme.
»Das tut nichts zur Sache. An jenem bewussten Tag vor etwa einem Monat stand ich zufällig vor Ihrem Laden und betrachtete die Auslagen im Schaufenster. Ich sah, wie eine Frau den Laden verließ. Heute bin ich der Überzeugung, dass es Ihre Angestellte war. Ich wartete auf meine Freundin, mit der ich mich verabredet hatte. Dummerweise verspätete sich meine Freundin. Ich wartete und wartete. Nach etwa einer halben Stunde kam die Frau, von der ich glaube, dass sie Ihre Angestellte ist, wieder zurück. Und, sehen Sie, jetzt kommt das Interessante: später las ich in der Zeitung, dass Sie genau in der Zeit, in der ich vor Ihrem Laden stand, überfallen worden sind, und zwar von zwei Gangstern, die durch die Vordertür gekommen sein sollen. Ich habe aber niemanden hineingehen und niemanden herauskommen sehen. Natürlich hätte ich zur Polizei gehen und eine Aussage machen müssen. Mehr als einmal habe ich es mir vorgenommen. Aber dann sagte ich mir wieder: Diese Versicherungen verdienen ein Schweinegeld. Warum soll der Juwelier Hagedorn sie nicht ein bisschen schröpfen? So überlegte ich hin und her. Und deshalb rufe ich jetzt erst an.«
»Was wollen Sie?«, fragte Hagedorn.
»Genau diese Frage habe ich erwartet. Ich möchte sie aber nicht am Telefon besprechen. Was halten Sie vom Domplatz, direkt vor dem Hauptportal, heute Abend um acht?«
Er fand die Idee zwar nicht großartig, aber er erklärte sich einverstanden.
»Das ist Erpressung«, sagte Sigi, als ich aufgelegt hatte.
»Ich habe nichts gefordert,
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