Wilsberg 03 - Gottesgemuese
Er bestand darauf, dass sie alleine kommt und niemanden informiert.«
Ich grübelte. »Wie lange ist sie schon weg?«
»Sie hat mich um drei angerufen und gefragt, ob ich auf die Kinder aufpassen kann. Ich habe sie beschworen, nicht zu fahren. ›Warum kommt er nicht nach Hause?‹, habe ich sie gefragt, und sie antwortete: ›Er kann nicht.‹«
»Wann wollte sie zurück sein?«
»Sie meinte, dass es höchstens drei Stunden dauern würde.«
Also konnte sie nicht nach Norderney gefahren sein.
Wie sich herausstellte, war Kerstin Mierbaum die beste Freundin von Anja. Anja hatte ihr alles erzählt, einschließlich einiger Details über meine Person.
»Dann warten wir eben«, entschied ich.
Sie guckte an mir vorbei. »Sie sollten wissen, dass ich dagegen war, Sie zu engagieren.«
»Dann haben Sie ja jetzt Gelegenheit, Ihre Vorurteile gegenüber Privatdetektiven abzubauen.«
Die Kinder drückten die Küchentür auf.
»Kerstin, das Spiel ist langweilig.« Das war die Ältere. Sie mochte ungefähr zehn Jahre alt sein.
Ihr jüngerer Bruder fragte mit weinerlicher Stimme: »Wann kommt Mama endlich nach Hause?«
Kerstin Mierbaum lächelte krampfhaft. »Sie wird gleich da sein. Und das Spiel ist gar nicht langweilig. Wie wäre es, wenn wir es zusammen spielen würden?«
Ich hatte eine bessere Idee. »Ich kann ja inzwischen kochen.«
Kerstin Mierbaum sah mich an, als hätte ich meinen ersten Sympathiepunkt gewonnen.
Ich werkelte in der Küche herum, obwohl meine Kochlust unter null gesunken war. Die Kirche für angewandte Philosophie hatte schnell reagiert. Vermutlich sollte Martin Kunstmann seine Frau davon überzeugen, dass alles in Ordnung sei und sie mich schleunigst in die Wüste schicken müsse. Die Frage war, welchen Eindruck sie von dem Treffen bekam. Stand er unter Druck, oder war es freiwillig zustande gekommen? Den Gedanken, dass man sie entführt haben könnte, verdrängte ich aus meinem Hinterkopf.
Nach einer Stunde war das Essen fertig. Ich hatte die eine Hälfte nach Kochbuch zubereitet, die andere Hälfte, für die Kinder, fast gewürzlos. Die Kinder stocherten trotzdem lustlos auf ihren Tellern herum und quengelten fast die ganze Zeit. Genau genommen schmeckte niemandem das Essen, und ich war froh, als es endlich vorbei war. Anschließend versuchten wir die Kinder zu überreden, ins Bett zu gehen, und das gab erneut Gezeter, Heulen und Zähneknirschen. Mit dem Versprechen, sie sofort zu wecken, wenn ihre Mutter auftauchte, schafften wir es schließlich.
Um halb zehn hingen wir beide in den Sesseln.
»Okay, schließen wir Frieden!«, sagte Kerstin Mierbaum. »Sie sind in Ordnung.«
Ich hob mein Rotweinglas. »Auf den Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit!«
Der Rest war Warten. Wir tauschten unsere Kenntnisse über die Kirche für angewandte Philosophie aus, sie erzählte einiges über die Ehe der Kunstmanns, und ich kramte ein paar Anekdoten aus dem reichen Abenteuerschatz eines Privatdetektivlebens hervor. Keiner von uns war richtig bei der Sache. Immer wieder schielten wir auf unsere Armbanduhren und lauschten Motorengeräuschen nach, die von Autos vor dem Haus verursacht wurden.
Um Mitternacht sagte sie: »Sollten wir nicht die Polizei anrufen?«
Ich drückte die zwanzigste Zigarette im Aschenbecher aus. »Und was sagen wir der Polizei? Dass eine Frau, die eine Verabredung mit ihrem Ehemann hat, bis zwölf Uhr nicht nach Hause gekommen ist? Glauben Sie, dass irgendein Polizist deswegen den Finger krumm macht? Bevor die eine Suchmeldung herausgeben, muss schon mehr passieren. Und vor allen Dingen: Wir haben keine Ahnung, wo wir sie suchen sollen.«
Ich guckte sie an und nahm die nächste Zigarette. »Wenn sie bis morgen früh nicht da ist, gehen wir zur Polizei.«
Irgendwann hörten wir auf zu reden, und kurz darauf döste ich ein. Als sich der Schlüssel im Türschloss drehte, war ich sofort hellwach. Kerstin Mierbaum schoss aus ihrem Sessel hoch und rief: »Anja?«
Müde lächelnd stand sie im Hausflur. »Habt ihr auf mich gewartet? Das ist aber nett von euch.«
»Erzähl!«, sagte ich. »Wie war es?«
»Anstrengend.« Sie ließ sich auf das Sofa fallen. »Ich weiß gar nichts mehr.«
Martin Kunstmann hatte sie zu der Raststätte Münsterland an der Autobahn A 1 bestellt, aber als sie dort ankam, entdeckte sie ihn nicht. Stattdessen wurde sie von zwei Männern in schwarzen Uniformen angesprochen, die ihr einen Brief ihres Mannes überreichten. Er schrieb, dass es ihm leider
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