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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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oder?«, widersprach ich. »Sagen wir einmal: Es ist ein Experiment. Falls es klappt, spart die Sächsische Versicherung 500.000 Mark.«
    »Und falls es nicht klappt?«
    »Haben wir Pech gehabt.«
    »Warum hast du ihm nicht gleich eine Forderung genannt?«
    »Risikominimierung. Wenn er unschuldig ist, ruft er die Polizei an. Die überwacht dann heute Abend den Domplatz, und wir blasen die Geschichte ab.«
    »Clever«, sagte Sigi anerkennend.
    Ich schmunzelte. »Wenn Kosloswski anruft, sag ihm, dass ich ihn heute Abend brauche.«
    Hjalmar Koslowskis Mutter hatte sich nur schwer mit der Gewöhnlichkeit ihres Nachnamens abgefunden und ihrem erstgeborenen Sohn zum Ausgleich einen ganz und gar ungewöhnlichen Vornamen gegeben. Doch Hjalmar schlug die Berufung des Vornamens aus, wurde weder Kunstprofessor noch Feuilletonredakteur, sondern ergriff, mehr dem Nachnamen entsprechend, die mittlere Beamtenlaufbahn des Polizeimeisters. Nach etlichen Übergriffen auf der Polizeiwache musste er seine Pensionsberechtigung aufgeben und wurde Kaufhausdetektiv, was er noch heute war, wenn ich mal längere Zeit keinen Auftrag für ihn hatte.
    Hjalmar war eine Kante von Mann, nur wenige Zentimeter größer als ich, aber dreißig Kilo schwerer, ein blondes Monster, das mir besonders bei Härteeinsätzen hervorragende Dienste leistete. Allerdings musste ich ihn gelegentlich stoppen, wenn er richtig in Fahrt geriet.
    »Hallo, Hjalmar!«, sagte ich, als wir uns um halb acht vor dem Rathaus trafen. »Wie geht's denn so?«
    Er winkte ab. »Dein Juwelier ist so ziemlich der langweiligste Kerl, den ich seit Jahren gesehen habe. Inzwischen sehne ich mich nach der Spielzeugabteilung im Kaufhaus.«
    »Nur noch ein paar Tage«, munterte ich ihn auf. »Bis Donnerstag ist alles gelaufen.« Dann weihte ich ihn in meinen Plan ein.
    Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Ganz schön riskant.«
    »Bist du dabei?«, fragte ich.
    »Na klar. Was kann mir schon passieren?«
    Wir verabredeten, den Domplatz zu umrunden, um nach herumstehenden Männern und in Fenstern aufgebauten Videokameras Ausschau zu halten.
    Der Domplatz, ein kopfsteingepflastertes Areal in der Mitte Münsters, das zweimal in der Woche den Markt beherbergt, hat sieben Zugänge. Alle sieben abzulaufen, war fast gleichbedeutend mit einer Besichtigung der Altstadt Münsters. Hjalmar und ich teilten uns die Strecke.
    Um acht trafen wir uns zwischen Post und Regierungspräsidium. Hjalmar schüttelte den Kopf. Mir war auch nichts Verdächtiges aufgefallen.
    Ich linste zum Dom hinüber, einem gedrungen wirkenden Steinklotz, der einst von den Wiedertäufern als Berg Zion bezeichnet worden war und dessen Steine sie zum Ausbau der Stadtmauer benutzt hatten. Damals campierte der Bischof mit seinen Reitern außerhalb der Stadt, heute schlief er gleich nebenan.
    Auf den Stufen vor dem Hauptportal des Domes stand ein einsames Männchen, das sich nach allen Richtungen umblickte.
    »Ist er das?«, fragte ich.
    »Ohne Zweifel. Ich erkenne ihn mittlerweile an seinen Bewegungen.«
    »Lassen wir ihn noch ein bisschen warten! Wenn es eine Falle ist, nimmt er vielleicht Kontakt auf.«
    Hagedorn wurde von Minute zu Minute nervöser, und um Viertel nach acht beschloss ich, ihn zu erlösen.
    »Ich dachte, Sie kommen allein«, sagte er und warf einen ängstlichen Blick auf Koslowski.
    »Kein Grund zur Besorgnis. Sie sind schließlich unser Kapital.«
    »Wie viel wollen Sie?«
    »Ich hatte so an 100.000 gedacht.«
    Hagedorn schnappte nach Luft. »Sie sind ja wahnsinnig. So viel kriege ich nicht mal von der Versicherung.«
    Ich warf Hjalmar einen vielsagenden Blick zu. »Der Kerl versucht uns zu verscheißern.«
    Hjalmar nahm die Hände aus den Manteltaschen. »Kein netter Zug von ihm.«
    Hagedorn zitterte nicht nur vor Kälte. »Aber, meine Herren, regen Sie sich doch nicht auf! Ich biete Ihnen 50.000.«
    »100.000«, sagte ich.
    »Eine solche Summe kann ich so schnell nicht auftreiben.« Hagedorn kaute auf seiner Unterlippe.
    »Bis Mittwochabend müssen Sie es geschafft haben. Selber Ort, gleiche Uhrzeit.«
    Ich schaute in das verkniffene Greisengesicht. Seine rote Nase leuchtete wie die Starttaste eines Spielautomaten. Und ich hatte den Jackpot gewonnen.

VIII
    Auf der Autobahn nach Norden fuhr ich durch einen Schneeschauer, der mich an die Schüttelgläser meiner Kindheit erinnerte: große, schwere Schneeflocken, die wie Segelflugzeuge durch die Luft glitten und an der Windschutzscheibe zerschellten.
    Zusammen

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