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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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mich brauchte.«
    »Du hast getan, was du konntest.«
    »Und das war zu wenig.« Ich machte eine vage Handbewegung. »Egal. Der Fünfzehnte ist übermorgen. Sei so gut und buche für mich einen Flug von Düsseldorf nach London! Wenn's geht, lass einen Leihwagen reservieren, den ich am Flughafen abholen kann!«
    Sigi machte ein mürrisches Gesicht und verschwand. Ich wandte mich wieder dem Sportteil der Zeitung zu und las einen Artikel über die neuesten Techniken zur Umgehung von Dopingkontrollen. Ich wollte, wie gesagt, nicht nachdenken.
    Nach einer halben Stunde meldete sich Sigi: »Alles erledigt, Chef.«
    Ich ging zu ihr hinüber. »Wann startet der Flieger?«
    »Morgen früh um elf Uhr dreißig. Ich habe übrigens zwei Plätze gebucht.«
    »Was?«
    »Für dich und mich. Ich habe mir gedacht, dass du vielleicht Unterstützung brauchst.«
    »Bestell den zweiten Flug wieder ab! Oder, besser noch, frag Hjalmar, ob er die nächsten Tage Zeit hat!«
    »Du gibst also zu, dass es sinnvoll wäre, wenn dich jemand begleiten würde, den die KAP noch nicht kennt?«
    »Na ja, falls dieser Mittelsmann nicht auftaucht, könnte man das Schloss der KAP mal in Augenschein nehmen. Und es würde mich nicht wundern, wenn sich diese Clique aus Norderney dort aufhielte.«
    »Hjalmar ist in Urlaub gefahren«, sagte Sigi triumphierend. »Er haut seine Prämie auf den Kopf.«
    »Und wer bezahlt den zweiten Flug?«, fragte ich vorwurfsvoll.
    »Du. Du kannst ihn ja Kunstmann in Rechnung stellen.«
    »Falls er jemals wieder die Gelegenheit bekommt, sein Professorengehalt einzustreichen.«
    »Du hast gerade 50.000 Mark verdient.«
    »Und meinen BMW verloren.«
    »Den zahlt die Versicherung.«
    »Also gut. Du kannst mitfliegen.«
    Sigi grinste.
    Ich setzte mich wieder an den Schreibtisch und füllte den Fragebogen der Versicherung aus. Dann diktierte ich einen Brief an den Hausbesitzer, in dem ich ihm vorwarf, die Wohnungsnot und den Mangel an Geschäftsräumen skrupellos auszunutzen. Ferner stellte ich ihm in Aussicht, seinen Vergleichsmietspiegel und die prozentuale Steigerung der Miete notfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. Eine solche öffentliche Auseinandersetzung könne ihm als eine der Säulen des Karnevalsvereins der Paohlbürger eigentlich nicht gelegen kommen, beendete ich das Schreiben hochachtungsvoll. Anschließend fühlte ich mich erschöpft genug für eine längere Mittagspause.
    »Ich gehe mal eben was essen«, sagte ich zu Sigi. »Bin um drei wieder zurück.«
    »Und ich gehe einkaufen«, antwortete sie. »Schließlich brauche ich für England was zum Anziehen.«
    Ich trat aus dem Haus und blieb unter den Arkaden des Prinzipalmarktes stehen. Noch während ich darüber nachdachte, ob ich vollwertköstlich oder italienisch essen wollte, hörte ich hinter mir eine heisere Stimme: »Sie schulden mir was.«
    Die Stimme kam mir bekannt vor. Ich drehte mich um und guckte in das zerfurchte Gesicht von Karl Hagedorn.
    »Ich schulde Ihnen gar nichts.«
    Er geiferte: »Doch. Tausend Mark. In der Tasche waren nur 99.000. Ich habe Ihnen aber 100.000 gegeben.«
    »Sie werden sich verzählt haben.«
    »Das habe ich nicht. Wollen Sie, dass ich es Gross erzähle?«
    Ich stöhnte. »Wie kann man in Ihrem Alter nur so geldgierig sein?« Dann zog ich mein Portemonnaie aus der Tasche und entnahm ihm einen Scheck.
    »Haben Sie eine Unterlage?«
    »Nein.«
    Ich ging zwei Schritte nach vorne und drückte das Papier gegen eine Säule.
    »Hier! Und falls Sie mal einen Privatdetektiv brauchen …«
    Er krallte sich den Scheck und enteilte.
    Ich entschied mich für Vollwertkost. Als ich den Prinzipalmarkt überquerte, knallte mir der saure Regen ins Gesicht.

XIII
    Ich hatte Sigi zum ersten Mal in Montaione gesehen, einem kleinen Ort in der Toskana. Ich saß mit einem caffè corretto vor der Bar in der Ortsmitte und atmete den vermissten Benzinduft ein, als sie auf einer Vespa vorfuhr. Sie nahm den Helm ab und schüttelte ihre langen braunen Haare. Dann setzte sie sich an einen Tisch, ein paar Meter von mir entfernt, und musterte mich mit einem Blick, für den jeder Mann als Macho gegeißelt worden wäre. Kurz darauf knatterte eine zweite Vespa heran. Ein schwabbeliger Typ mit dichter Brustbehaarung saugte sich an ihrem Hals fest. Dabei grinste sie mich über seinen Rücken hinweg an.
    Ein Jahr später traf ich sie zufällig am Salatbuffet einer münsterschen Geburtstagsparty. Obwohl sie keinen Helm trug und etwas blasser war, erkannte ich sie

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