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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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manchen Dingen kriegen auch Bullen keine Routine.
    Sie lag auf einem fahrbaren Gestell, zwischen Kisten und ausrangierten Waschbecken. Bedeckt mit einem weißen Laken. Fehlte nur, dass ein Fuß herausragte und am großen Zeh ein Zettel hing mit der Aufschrift: Anja Kunstmann.
    Der Arzt schlug das Laken zurück. »Sehen Sie, was ich meine!«
    Ich sah es.
    Stürzenbecher legte mir den Arm auf die Schulter und schob mich näher ran. »Guck sie dir genau an! Ist das Anja Kunstmann?«
    Ich nickte.
    »Okay«, sagte Stürzenbecher. »Sie können sie wieder zudecken.«
    »Wollen Sie nicht mehr sehen?«, fragte der Arzt enttäuscht.
    »Nein, danke! Lassen Sie sie morgen früh nach Emden in die Rechtsmedizin bringen! Mich interessiert alles. Was sie zuletzt gegessen hat, ob irgendwelche Medikamente oder andere Substanzen nachzuweisen sind, ob sie vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr hatte.«
    »Natürlich«, sagte der Arzt kühl. »Ich habe hier leider nicht die nötigen Instrumente, sonst würde ich es gerne selber machen.«
    Ich übergab mich nicht, aber ich sog die eisige Luft vor dem Krankenhaus bis in die untersten Lungenspitzen.
    »Ich fahr noch mal zur Polizeiwache«, sagte Stürzenbecher. »Morgen früh räuchern wir dieses KAP-Nest aus. Du kannst ja inzwischen zum Hotel gehen.«
    Ich nickte, und Stürzenbecher verschwand. Dann setzte ich mich auf die Treppe des Krankenhauseinganges. Am Himmel zeigte sich die Milchstraße. Und viel Schwarze Materie.
    Eine Viertelstunde später war ich im Hotel. Diesmal nahm ich ein Zimmer mit Meerblick. Vor unserer Abreise hatte ich Sigi den 50.000 Mark-Scheck in die Hand gedrückt und sie gebeten, ihn zur Bank zu bringen.
    Vom Meer war allerdings nicht viel zu sehen. Ein bisschen weiße Gischt, das war alles. Genauso öde wie das Hotelzimmer. Ich nahm ein Bad und ging hinunter in die Hotelbar. Sie war leer, bis auf zwei Damen um die fünfzig, die sich Geschichten über ihre Krankheiten erzählten.
    Nach dem dritten Martini kam Stürzenbecher und setzte sich neben mich.
    »Sie war eine schöne Frau.«
    Ich sagte nichts.
    »Hattest du was mit ihr?«
    »Ich möchte nicht darüber reden.«
    Stürzenbecher bestellte ein Bier und schwieg.
    »Was machen die Kinder?«, fragte ich.
    »Sie werden größer. Mark ist sitzen geblieben, weil er lieber Karten spielt und sich mit seinen Kumpanen besäuft, als etwas zu lernen. Letzte Woche mussten wir ihn mit Anzeichen einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus bringen.«
    Andere Leute, andere Probleme.
    Stürzenbecher weckte mich um vier Uhr morgens. Um diese Uhrzeit war mein Blutdruck so niedrig, dass man damit nicht mal einen Fahrradschlauch aufpumpen konnte. Trotzdem schaffte ich es innerhalb einer Viertelstunde, meine Körperteile in Textilien zu verstauen.
    Es klopfte an der Tür. Stürzenbecher trug einen Schimanski-Parka und eine Pudelmütze, kein besonders autoritätserheischender Anblick.
    »Zieh dich warm an! Es ist kalt draußen.«
    »Glaubst du, dass man schon einen Kaffee kriegen kann?«
    »Nein. Außerdem müssen wir los.«
    Wir fuhren zu der kleinen Polizeiwache. Stürzenbecher hatte zwanzig Mann Verstärkung auf die Insel beordert, und die saßen mit dumpf-trägen Gesichtern in einem Kleinbus. Peter und Horst waren auch schon auf den Beinen. Bei einem solchen Einsatz mussten sie natürlich dabei sein. Peter hatte sogar eine Thermoskanne mit Ostfriesentee dabei, wofür ich ihm sehr dankbar war. Horst stieg in den Kleinbus, Peter in Stürzenbechers Auto, dann gab Stürzenbecher das Startkommando.
    Das Reha-Zentrum war genauso dunkel wie alle anderen Häuser auf der Insel. Wir fuhren direkt auf den Parkplatz, und Stürzenbecher schickte fünf Polizisten zur Rückseite. Dann verteilte er fünf weitere auf die Vorderseite, mit dem Rest gingen wir zum Portal.
    Stürzenbecher behielt den Finger auf der Klingel. Das Schellen weckte nicht einmal schlafende Hunde. Er gab einem der beiden Axtträger ein Zeichen, und der haute die große Glasscheibe zu Scherben. Zwanzig Lederstiefel trampelten über Splitter.
    »Ausschwärmen und die Zimmer durchsuchen! Fragen Sie jeden, den Sie finden, nach seinem Namen! Sollte ein Martin Kunstmann dabei sein, bringen Sie ihn sofort hierher! Alle anderen müssen in zehn Minuten in der Eingangshalle sein.«
    Zehn Polizisten schwärmten aus. Wir hörten, wie sie Türen öffneten und wieder schlossen. Ansonsten war es ruhig, sehr ruhig, zu ruhig.
    Zehn Minuten später waren die Polizisten wieder da.
    »Das Gebäude ist

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