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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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leer«, sagte einer.
    Die anderen nickten.
    Stürzenbecher riss sich wütend die Pudelmütze vom Kopf und warf sie auf den Boden. »Die Bande ist ausgeflogen. Aber wohin?«
    Peter und Horst guckten sich an. Beide hatten den selben Gedanken.
    »Es gibt da eine Möglichkeit«, setzte Peter an. »Wir haben nämlich einen Flughafen.«
    Stürzenbecher kochte. »Und Sie haben keine Anweisung gegeben, alle Flugbewegungen sofort zu melden?«
    »Nein. Normalerweise landen hier sehr selten Flugzeuge. Besonders im Winter.«
    Wie sich herausstellte, war am Tag zuvor ein aus London kommendes Flugzeug auf dem Norderneyer Flughafen gelandet. Dreißig Passagiere, alle in ziviler Kleidung, hatten das Flugzeug bestiegen, worauf es umgehend wieder startete.

XII
    Der Himmel befand sich in einem Zustand, den man im Sommer als Dämmerung bezeichnen würde, und der an diesem Tag das Äußerste war, was er an Helligkeit zu bieten hatte. Meine Schreibtischlampe brannte. Ich las einen Bericht über den Niedergang des FC Bayern München und sog dabei gelegentlich an der Pfeife. Ich war nicht gewillt, mich zu bewegen oder über etwas Anstrengendes nachzudenken. Das Gespräch mit dem Steuerberater hatte mir gereicht. Er hatte mir zu verstehen gegeben, dass er nicht länger bereit sei, meine Schlampereien in der Buchführung gegenüber dem Finanzamt durch seinen guten Namen zu vertuschen. Außerdem hätte er neulich mit dem Oberbürgermeister gesprochen, und der wiederum habe ihm erzählt, dass seine Frau neulich von einer Freundin etwas Schlechtes über mich gehört habe. Ich hatte nach Ausflüchten gesucht, aber keine gefunden. Die Mitgliedschaft im örtlichen Golfklub rückte in weite Ferne. Die Herren in der Chefetage der Sparkasse würden wieder Abstand von mir nehmen. Aber das alles war mir im Moment egal. Dem FC Bayern ging's noch schlechter.
    Sigi kam herein und legte die Post auf den Schreibtisch. Sie trug Schwarz, passend zur Stimmung. Ich senkte die Zeitung und warf einen Blick auf die Briefe. Die Autoversicherung wollte Einzelheiten über den Diebstahl meines BMW wissen, insbesondere stellte sie Fangfragen, um mich der Mitschuld zu überführen. Der Hausbesitzer drohte die Erhöhung der Kaltmiete um drei Mark pro Quadratmeter an, da die Vergleichsmieten raketenartig nach oben geschossen seien. Der dritte Brief war handschriftlich adressiert und trug den Vermerk »persönlich«. Sigi hatte ihn nicht geöffnet. Auf der Vorderseite klebten englische Briefmarken. Ich drehte ihn um. Kein Absender. Ich befühlte den Inhalt und fragte mich, ob man wohl inzwischen Briefbomben von der Dicke eines normalen Briefes herstellen kann. Dann riss ich ihn auf.
    Es war ein gewöhnlicher Brief. Ich las:
    Sehr geehrter Herr Wilsberg,
    ich wende mich an Sie, weil Sie nach dem unglücklichen Tod meiner Frau der einzige Mensch in Deutschland sind, den ich kenne und der gleichzeitig genügend Interesse und Engagement aufbringt, um die Kirche für angewandte Philosophie in der Öffentlichkeit entscheidend zu desavouieren. An mich selber und mein Schicksal denke ich dabei nicht. Es ist mir aufgrund der vorausgegangenen Ereignisse gleichgültig geworden. Als Glück im Unglück sehe ich die Tatsache an, dass ich im »Schloss« einen Menschen getroffen habe, der genauso denkt wie ich, der dies allerdings bislang verschleiert hat und daher noch das Vertrauen der Kirche besitzt. Mit seiner Hilfe ist es mir gelungen, in den Besitz von Papieren zu kommen, die die schmutzigen Geschäfte der Kirche belegen. (Er hat übrigens auch diesen Brief zur Post gebracht, da ich mich nicht außerhalb des »Schlosses« bewegen darf.)
    Diese Person wird am 15. Februar um 11 Uhr vor dem Hauptpostamt von Portsmouth stehen, um Ihnen die Papiere zu übergeben. (Sie erkennen sie an einer unter den linken Arm geklemmten Times. ) Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen dies ultimativ mitteilen muss, aber die Zeit drängt, und es gibt keine Möglichkeit der Kommunikation.
    Mit freundlichem Gruß,
    Martin Kunstmann
    PS Selbstverständlich komme ich für Ihre Kosten auf, sobald ich dazu in der Lage bin.
    Ich drückte auf die Taste der Sprechanlage und bat Sigi, herüberzukommen.
    »Was hältst du davon?«, fragte ich, nachdem sie den Brief gelesen hatte.
    »Hmm, könnte eine Falle sein.«
    »Oder eine einmalige Chance.«
    »Du willst also hinfahren?«
    »Ja.«
    »Wieder so ein Alleingang?«
    »Ich hab noch was gutzumachen.«
    »Es war nicht deine Schuld.«
    »Aber ich war nicht da, als sie

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