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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Rasch: »Der emeritierte Kunstgeschichtsprofessor hat mir bestätigt, dass das Bild dort oben in den letzten Jahren nicht restauriert worden ist. Das heißt, das Original wurde vor dem Anschlag ausgetauscht. Die Wiedertäufer haben vermutlich eine wertlose Kopie beschädigt.«
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen. »Dann muss die Bistumsspitze vor dem Anschlag informiert worden sein.«
    Rasch nickte. »Richtig.«
    Wir schauten uns an und dachten beide das Gleiche: Im Kommando Jan van Leiden saß ein Maulwurf, der für die Gegenseite arbeitete.
    Es kam der 3. April. Ich wartete im münsterschen Stadtteil St. Mauritz vergeblich auf einen alten Gaul mit einem Vertrag am Schwanz.
    Und dann kam der 5. April. Er fiel, im Gegensatz zu 1534, nicht auf Ostern, sondern auf einen ganz gewöhnlichen Wochentag. Schon um sechs Uhr morgens war ich am Ludgeriplatz, wo seinerzeit das Ludgeritor gestanden hatte.
    Es war noch dunkel, aber der Berufsverkehr rollte bereits über die Hammer Straße. Die erste Bäckerei mit Stehimbiss öffnete, und ich bestellte ein Käsebrötchen und eine Tasse Kaffee. Das pappige Brötchen kauend, schaute ich hinaus auf den Kreisverkehr. Nach den Fehlschlägen der vergangenen Wochen hatte ich keine großen Erwartungen, aber ich hätte es mir auch nie verziehen, wenn ich die nächste Aktion der Wiedertäufer verpasst hätte.
    Zehn Minuten später sah ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, halb verdeckt hinter Büschen, drei Menschen in Parkas, die sich unterhielten. Dabei blickten sie sich um, als warteten sie auf etwas. Nach und nach kamen andere hinzu, bis es schließlich sieben oder acht waren. Ich bezahlte den Kaffee und das Brötchen und ging hinaus. Eine leichte Erregung ließ meine Finger zittern, als ich einen Zigarillo anzündete.
    Die Gruppe stand dicht beieinander, einer redete offensichtlich auf die anderen ein. Aber es war noch zu dunkel und die Entfernung zu groß, um Gesichter erkennen zu können. Plötzlich glaubte ich, ein paar rote Haarsträhnen erkannt zu haben. Das Kribbeln im Bauch nahm zu. Wochenlang hatte ich auf diesen Moment gewartet, doch jetzt war ich vollkommen unvorbereitet. Was sollte ich tun? Hinübergehen und »Hallo Mareike!«, sagen? Ich nahm an, dass der Erfolg eher mäßig gewesen wäre. Bestenfalls hätte ich bei ihr einen Wutanfall ausgelöst.
    Also blieb ich auf meiner Straßenseite, verzog mich in einen Hauseingang und beobachtete weiter. Das Beste würde es sein, wenn ich Mareike nach dem, was auch immer sie vorhatten, verfolgte, um ihre Adresse herauszufinden. Dann konnte ich die Kontaktaufnahme weniger brachial gestalten. Und immerhin, sprach ich mir Mut zu, hatte ich nach der Entdeckung von Professor Rasch allen Grund, sie zu besuchen.
    In die Gruppe auf der anderen Straßenseite kam jetzt Bewegung. Einige bückten sich und zogen metallisch glänzende Teile aus Tüten und Taschen. Die Metallteile sahen spitz und gefährlich aus. An ihnen hingen Ketten, die sich wiederum mit den Ketten der anderen Teile verbinden ließen. Die Menschen bewegten sich schnell auseinander, und bald entstand eine etwa zehn Meter lange Schnur, durchsetzt mit Metallkrallen. Ich ahnte, was sie beabsichtigten: Sie wollten den Verkehr auf dem Ludgeriplatz, ein Nadelöhr des gesamten Stadtverkehrs, lahmlegen.
    Schon versammelten sich alle am Straßenrand. Dann sprang einer, die Kette in der Hand, zwischen den Autos hindurch auf die Grüninsel in der Mitte des Platzes. Die Metallkrallen landeten auf dem Boden. Bevor die ersten Autofahrer reagieren konnten, waren sie über die Krallen gerollt. Reifen platzten, Autos schleuderten und blieben mitten im Kreisverkehr stehen, ein Hupkonzert brach los, und man hörte, wie Metall gegen Metall krachte. Für einen Moment sah es so aus, als würden sich die Autos aufeinanderschieben, einen riesigen, ineinander verkeilten Schrotthaufen bilden. Doch dann kam der Verkehr ganz plötzlich zum Stillstand, nichts bewegte sich mehr, nur gedrosselte Motoren und vereinzeltes, verzweifeltes Hupen.
    Ich hatte wie gebannt auf die Massenkarambolage gestarrt, sodass ich erst jetzt die sechs Männer bemerkte, die auf meiner Seite der Hammer Straße auf das Chaos zugingen. Obwohl sie Zivil trugen, waren sie untrüglich als Polizisten erkennbar. Sie bewegten sich wie Polizisten, sie guckten wie Polizisten, und sie rannten jetzt auch wie Polizisten auf die sich auflösende Gruppe der Wiedertäufer zu.
    Auf der anderen Straßenseite entdeckte ich ebenfalls eine

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