Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
fluchte. »Dieser miese Knilch.«
Kleinlaut gab sie zu: »Einige von uns hatten Bedenken. Ich auch. Aber schließlich hat sich eine Mehrheit dafür entschieden.«
»Totaler Schwachsinn«, warf ich ihr vor. »Solange ihr euch auf Gewalt gegen Sachen und das Eigentum der Kirche beschränkt habt, hat man euch für harmlose Spinner gehalten. Das wird sich jetzt ändern.«
Mareike guckte auf die Straße. »Hinterher ist man immer klüger. Diejenigen, die sich durchgesetzt haben, sagten, dass wir die Aktionen verschärfen müssen, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen.«
»War Martin dabei?«
»Nein. Er konnte das Kloster nicht verlassen. Er gehört dem Benediktinerorden an. Da herrschen strenge Regeln.«
»Und für eure Versammlungen bekommt er frei?«
»Na ja, er leitet Exerzitien außerhalb des Klosters, und manchmal erfindet er eine Ausrede.«
Wir hatten die letzten Ausläufer der Baumberge hinter uns gelassen und fuhren durch das westliche Münsterland. Mareike war schon zweimal im Kloster Rosmalen gewesen, konnte sich aber nicht mehr genau an den Weg erinnern. Immerhin wusste sie, dass es sich irgendwo zwischen Coesfeld und Billerbeck befinden musste.
Zum Glück ist das deutsche Schilderwesen in der Welt unübertroffen. Getreu der Anweisung »Kloster Rosmalen 250 m« bogen wir von der Landstraße in eine schmalere Verbindungsstraße ab, die uns zuerst durch den Weiher Rosmalen und dann zu dem auf einem Hügel thronenden, einer Trutzburg nicht unähnlichen Kloster führte.
Mareike guckte auf ihre Uhr. »Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch bis zum Hochamt.«
Die Idee schien mir wenig verlockend.
»Das ist unsere einzige Chance, mit Martin Kontakt aufzunehmen«, klärte mich Mareike auf. »Die Mönche dürfen keine Besucher empfangen.«
Das Kloster bestand aus drei mehrgeschossigen Flügeln, die gemeinsam mit der Klosterkirche ein geschlossenes Viereck bildeten. Aus der Nähe sahen die mächtigen Sandsteinquader nicht annähernd so alt und unheimlich wie die Filmkulisse in »Der Name der Rose« aus.
Mareike kannte den Grund: »Hier war früher ein Bauernhof. Um 1900 haben die kinderlosen Hofbesitzer das Grundstück dem Benediktinerorden geschenkt.«
An zwei putzigen Steinlöwen vorbei hasteten wir ins Innere der Kirche und setzten uns in die erste Gebetsstuhlreihe. Vor uns befanden sich der Altar und zu beiden Seiten des Altares die Bänke der Mönche.
Um Punkt neun öffnete sich eine Seitentür, und die in braune und grüne Kutten gehüllten Mönche kamen in Zweierreihen herein. Vor dem Altar teilten sich die Paare, um zu ihrem jeweiligen Gestühl zu schreiten. Falls Martin an uns vorbeigegangen war, hatte er es sich jedenfalls nicht anmerken lassen.
»Ist er dabei?«, flüsterte ich Mareike ins Ohr.
Sie nickte.
»Welcher ist es denn?«
»Der Schwarzhaarige in der mittleren Bank rechts.«
Und dann begannen sie zu singen. Ein beruhigender, fast meditativer Gesang, der von Orgelklängen unterstützt wurde. Martin, ein etwas korpulenter Mann von Mitte dreißig, der dichtes schwarzes Haar und eine goldumrandete Brille trug, sang genauso inbrünstig und verbeugte sich genauso stoisch wie seine überwiegend älteren Kollegen.
Nach dem Hochamt verschwanden die Mönche wieder durch die Seitentür.
»Und nun?«, fragte ich Mareike, als wir in der weihrauchgeschwängerten Kirche unter uns waren.
»Wart's ab!«, gab sie kurz angebunden zurück.
In der Kirche gab es nicht viel zu sehen, und ich blätterte lustlos in einer Broschüre über das Klosterleben. Um fünf Uhr morgens war allgemeines Wecken. Kein Wunder, dass der Orden Nachwuchsprobleme hatte.
Trippelnde Schritte rissen mich aus meinen Überlegungen. Martin hatte alles Komtemplative abgestreift und funkelte Mareike wütend an. »Warum hast du ihn hergebracht?«
»Es ging nicht anders«, verteidigte sie sich. »Wir stecken in der Klemme.«
Bevor sie zu weiteren Erklärungen ansetzen konnte, packte er ihren Arm. »Nicht hier! Wir gehen in den Park.«
Bislang hatte er mich keines Blickes gewürdigt, und das änderte sich auch nicht, als wir in Dreierformation durch den kleinen, zwischen Kloster und Straße angelegten Park schritten. Von außen musste unser Treffen wie ein seelsorgerisches Gespräch wirken.
Da ich hinter den beiden hertrottete, bekam ich nur bruchstückhaft mit, was Mareike von meinen Beobachtungen und der Entdeckung Professor Raschs berichtete. Als sie fertig war, blieb Martin stehen und guckte gedankenverloren in den
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